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Ihren Spielraum beim Ermessen legen manche Städte sehr weit aus, vor allem beim illegalen Gehwegparken: Ihre Ordnungsämter ignorieren in bestimmten Straßen oder überall Rechtsverstöße grundsätzlich, wenn ein willkürlich festgesetzter Restraum bleibt – in Erlangen 1,8 Meter, in München 1,5 Meter, in Freiburg „merklich unter 1,5 Meter“, in Krefeld und Leverkusen 1,0 Meter. In Magdeburg und Göttingen sollen 0,8 Meter reichen, wie die Deutsche Umwelthilfe ermittelte.  

Was zum Gehen gebraucht wird, ist egal

Keine dieser Städte begründet ihr Maß mit dem Raumbedarf Gehender – die sind ja auch in Erlangen nicht doppelt so dick wie in Göttingen und Magdeburg. Allerdings haben Expertinnen und Experten in der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen diesen Raumbedarf fachkundig untersucht und bemessen: Er beträgt auf Gehwegen an dicht bebauten Stadtstraßen mindestens 2,5 Meter

 Das ist das Maß für den „unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr“, den auch die bundesamtlichen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung fordern. Jedenfalls dort, wo eine Behörde legales Parken auf dem Gehweg zulassen will. Hier wird es besonders bizarr: Beim illegalen, aber geduldeten Parken nach Kommunalwillkür brauchen Gehende angeblich viel weniger Platz – in Göttingen und Magdeburg nur ein Drittel – als bei legalem Parken.  

Auch Falschparken muss in der Regel verfolgt werden

Nicht nur bei Breitenmaßen ist das grundsätzliche Ignorieren chronischen Gehwegparkens rechtswidrig. Ordnungsämter müssen ihr Ermessen laut Gesetz „pflichtgemäß“ ausüben, wenn sie in Einzelfällen das eine oder andere nicht verfolgen. Sie dürfen aber nicht Bundesrecht faktisch für ihr Terrain außer Kraft setzen, indem sie eine bestimmte Art von Verstößen generell nicht verfolgen. 2020 wusch der Verkehrsminister von Baden-Württemberg Gemeinden in einem Erlass den Kopf, die kurzerhand den sogenannten Parkdruck über das Gesetz gestellt hatten:

„Indem der Gesetzgeber einen Bußgeldtatbestand setzt, missbilligt er das beschriebene  Verhalten und verlangt als normative Regel grundsätzlich die Ahndung. Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt trotz des Opportunitätsprinzips der Grundsatz, dass gesetzwidrige Taten im Regelfall zu verfolgen sind. Daher bedarf es auch nicht das Eingreifen des Amtsträgers einer Begründung, sondern die Nicht-Ahndung braucht als Ausnahme, wenn sie in Einzelfällen das eine oder andere nicht verfolgen.“ Weiter schrieb das Ministerium: „Indem der Gesetzgeber einen Bußgeldtatbestand setzt, missbilligt er das beschriebene Verhalten und verlangt als normative Regel grundsätzlich die Ahndung. Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt trotz des Opportunitätsprinzips der Grundsatz, dass gesetzwidrige Taten im Regelfall zu verfolgen sind. Daher bedarf auch nicht das Eingreifen des Amtsträgers einer Begründung, sondern Nicht-Ahndung bedarf als Ausnahme eines zusätzlichen Kriteriums, welches zu dokumentieren ist (Karlsruher Kommentar, 5. Aufl., OWiG-Mitsch, Einleitung Rn. 155, 156). Pauschale Vorgaben, bestimmte Ordnungswidrigkeiten (zum Beispiel das Gehwegparken, das auch für Motorräder untersagt ist) nicht zu verfolgen, oder Verkehrsdelikte in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßenabschnitte[n] nicht zu ahnden, haben einen Ermessensausfall und damit die die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge und stehen mit den Pflichten der Verfolgungsbehörden nicht im Einklang.“

Ausführliche Informationen zum Thema stehen in unserer Broschüre zum Gehwegparken.