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Beginnen wir mit dem Erfreulichen: Man kann sehr viel zu Fuß unterwegs sein, ohne Opfer eines Unfalls mit einem Fahrzeug zu werden. Etwa alle zwei Millionen Geh-Kilometer passiert das im statistischen Durchschnitt, das ist fünfzigmal der Weg um die Erde.

Und das Gehen verlängert mit seinen vielen guten Wirkungen auf Körper und Seele  viel mehr Menschen das Leben, als es bei Unfällen verlieren oder als Dauerschäden erleiden. Und auch Alternativen zum Gehen sind nicht unbedingt sicher: Im Auto sterben in Deutschland fünfmal mehr Menschen als auf Beinen totgefahren werden. Und es ist doppelt so gefährlich, eine bestimmte Strecke per Rad zurückzulegen statt zu Fuß.

Allerdings sind da nicht die Stolper- und Sturz-Unfälle auf schlechten und dunklen Wegen enthalten – eine buchstäbliche Dunkelziffer besonders bei alten Leuten. Erfasst werden auch nicht die wohl seltenen schlimmen Zusammenstöße von Menschen zu Fuß. Die amtliche Statistik registriert nur Geh-Unfälle mit Fahrzeugen. Dabei werden in Deutschland jedes Jahr rund 30.000 Menschen verletzt und rund 350 getötet.

Die meisten Verunglückten hatten keine Regel gebrochen

Die Mehrzahl der zu Fuß erlittenen Unfälle beruht nicht auf Regelbrüchen der Menschen, die gegangen waren. Im Jahr 2022 kamen auf 7.730 „Hauptverursacher“ zu Fuß 21.677 Fahrer und Fahrerinnen (Quelle: Statistisches Bundesamt: Verkehrsunfälle 2022). Drei Viertel der zu Fuß Verunglückten hatten sich korrekt verhalten.

Es sind auch nicht in erster Linie junge, stürmische, ungeduldige und vielleicht nicht so regeltreue Menschen, die zu Fuß verunglücken. Im Gegenteil: Ein Großteil ist alt, und es trifft sie besonders oft schwer: Von den 368 Getöteten des Jahres 2022 waren 208 im Rentenhalter.

Am stärksten gefährdet sind also ausgerechnet Menschen, die sehr viele Erfahrung im Verkehr haben, die eher langsam und bedächtig unterwegs sind und die mehr Regelkenntnis und -disziplin aufweisen dürften als viele Jüngere. Opfer werden gerade sie so oft, weil sie von schnellem Fahrverkehr überfordert sind: Häufig können sie ihn mit Augen und Ohren schlechter wahrnehmen, sie können aufgenommene Informationen nicht mehr so schnell verarbeiten, verschätzen sich öfter bei Fahrzeugtempo und Entfernungen, gehen langsamer als Jüngere und reagieren langsamer. Scheinbar wohlmeinende Tipps lauten: Dann seid eben vorsichtiger und geht nur, wo es besonders sicher ist. Aber das ist zynisch, denn für viele gibt es sehr sichere Routen auf ihren Alltagswegen nicht. Sie müssen sich ins Fahrzeug-Getümmel stürzen, ob sie wollen oder nicht.

Gefahren als Mobilitätskiller

Angst und Gefahr machen immobil: Viele Ältere, Menschen mit Behinderungen und Ängstliche gehen weniger draußen zu Fuß, manche nicht mehr allein und manche gar nicht mehr. Ein Großteil der jüngeren Kinder darf nicht mehr allein auf und über die Straße; sie müssen sich auf jedem Weg fahren oder begleiten lassen. Die Angst vor Unfällen beschränkt und vernichtet die Bewegungsfreiheit vieler Millionen Menschen.

Deutschland tut viel zu wenig dagegen. Von 1992 bis 2022 sank die Zahl der Opfer jährlich im Schnitt um weniger als zwei Prozent (1992: 53.180, 2022: 29.407 Quelle S. 64) . Wirksame Verkehrssicherheits-Politik sähe anders aus. Dafür können und müssten wir an vielen Stellen ansetzen.