Nach der heutigen Rechtslage ist in Ortschaften ein Höchsttempo von 50 km/h die Regel, dagegen 30 nur manchmal als Ausnahme zulässig – allzu oft aber nicht. Wir fanden in der verkehrshistorischen Literatur keine Erklärung, warum ausgerechnet das im Jahr 1957 eingeführte Tempo 50 das Maß aller Innerorts-Dinge sein soll. Der einzige Grund dürfte sein, dass die Zahl so rund wirkt.

Tempo 30: Schlüsselprojekt
Tempo 30 als Norm in Städten und Dörfern ist ein Schlüsselprojekt für besseren Verkehr. Es macht Straßen sicherer, gesünder, angenehmer. Es macht Verkehr flüssiger und effizienter und bringt vielen Menschen mehr Mobilität.
Sechs gute Gründe für Tempo 30
Das Straßenverkehrsgesetz gibt seit 2024 fünf Ziele für Verkehrsregelungen vor. Sie alle werden bei Höchsttempo 30 besser erreicht als bei 50:
- Sicherheit, laut Gesetz das oberste Ziel:
Wer ein Auto lenkt und sieht, dass ein Mensch vor ihm auf die Fahrbahn tritt, reagiert im Schnitt nach etwa einer Sekunde per Tritt auf die Bremse. Wie lange und wie weit er dann noch fährt, hängt von der Fahrgeschwindigkeit am Anfang ab. Der Bremsweg wächst überproportional zum Tempo. Reaktionsweg und Bremsweg zusammen ergeben den Anhalteweg vom ersten Wahrnehmen der Gefahr bis zum Stopp. Er ist bei Tempo 30 etwa dreizehn Meter lang, bei Tempo 50 schon etwa siebenundzwanzig Meter. Nimmt der Fahrer zum Beispiel fünfzehn Meter vor sich einen Greis oder ein kleines Mädchen war, dann hält er bei 30 vor ihm an. Außer einem Schreck passiert nichts. Viele Unfälle passieren so gar nicht erst.
Bei 50 geschehen sie, und der Fahrer rammt den anderen Menschen noch in fast vollem Tempo. Mit schlimmen Folgen: Nach diversen internationalen Studien (vgl. hier S.3) sterben statistisch sieben Prozent der Menschen, die mit 30 gerammt worden sind. Die meisten anderen werden schwer verletzt. Beim Stoß mit 50 sterben nicht sieben, sondern 38 Prozent – die Todeswahrscheinlichkeit ist mehr als fünfmal so hoch.
Tempo 30 wirkt also doppelt segensreich im Vergleich mit Tempo 50: Es gibt weniger Unfälle, und diese haben weniger schlimme Folgen.
- Leichtigkeit des Verkehrs
Hier kommt es auf die Perspektive an: Wer sich leichten, flüssigen Stadtverkehr nur mit 50 vorstellen kann, fühlt sich mit 30 eher beschwert. Aber Straßen werden auch von vielen Menschen benutzt, die ohnehin viel langsamer sind. Auf dem Fahrrad ist eine 30-Straße viel unbeschwerter und angenehmer benutzbar. Zu Fuß kommt man eher und einfacher über die Fahrbahn, wenn dort 30 das Maximum ist. Bei 30 kann der Verkehr auf vielen Kreuzungen auch mit Zebrastreifen statt Ampeln abgewickelt werden – Wartezeit fällt weg.
Gegner von Tempo 30 behaupten oft, der Busverkehr würde leiden. Laut einer Schweizer Studie macht das aber bei einem durchschnittlichen Abstand zwischen zwei Haltestellen nur etwa drei Sekunden aus. Denn meist können Busse nur sehr kurze Strecken 50 fahren, bis wieder ein Stopp an der Ampel oder an der Haltestelle fällig ist. Die geringe Zusatzzeit kann leicht durch mehr Busspuren und Vorrang-Grün an Kreuzungen überkompensiert werden. Sie kann es auch dadurch, dass sich Busse beim Losfahren leichter in einen 30-Fluss eingliedern können, als wenn sie zwischen zwei Autos mit Tempo 50 eine Lücke suchen müssen.
- Umweltschutz
Schnellere Bewegung braucht mehr Energie, wie jedes rennende Kind lernt. Auf der Straße braucht sie mehr Benzin. Beschleunigung ist besonders kräftezehrend, wenn das tonnenschwere Fahrzeug auf 50 statt 30 gebracht werden soll. Schnelles Fahren macht darüber hinaus mehr Lärm, setzt mehr Atemgifte frei, verursacht mehr Reifen- und Bremsabrieb. Bei 30 werden für längere Strecken eher Bahnen und für kürzere eher Füße und Fahrrad gewählt.
- Gesundheit
Langsamerer Verkehr ist leiser und weniger schadstoffträchtig. Er schont eher Leib und Leben und er fördert die Gesundheit, wenn er zu Fuß oder auf dem Rad stattfindet. Bei Tempo 30 ist die Bewegung aus eigener Kraft angenehmer und wird öfter praktiziert.
- Städtebauliche Entwicklung
Bei Tempo 30 wird der Stadtraum besser genutzt: Es braucht weniger Raum für Sicherheitsabstände und weniger breite Fahrbahnen. Wird weniger Auto gefahren, spart das Fahr- und Parkraum – im besten Fall mehrere Spuren. Städte werden grüner und freundlicher zum Aufenthalt und zum Gehen. Das belebt Straßen, Handel und Gastronomie. Wo langsamere Bewegung vorherrscht, verteilen sich Läden, Dienstleister und andere Einrichtungen aller Art in kleineren Einheiten feiner im Raum – die Städte werden auch bunter. An ruhigeren Straßen kann man besser wohnen und arbeiten. Wohnungen an heutigen Kfz-Hauptstraßen müssen nicht mehr Lärm- und Abgashöllen für Ärmere sein.
FUSS Folgerungen und Forderungen
1.
Tempo 30 statt 50 in Städten und Dörfern ist ein technisch einfaches Mittel mit vielfältiger Wirkung. Es dient allen sechs Zielen, die das Straßenverkehrsgesetz seit 2024 für die Verkehrsregelung vorsieht.
2.
Wo die Straßenverkehrsordnung es heute vor allem in Paragraf 45 erschwert, diese Ziele zu erreichen, muss sie dem Gesetz angepasst werden.
3.
Der beste Weg zu Tempo 30: Es wird zur Regel innerhalb von Ortschaften. Tempo 50 ist möglich, wo auf der Fahrbahn keine Menschen ohne Schutzhülle gefährdet sind, die sich hier zu Fuß oder auf dem Rad bewegen müssen.