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Viele Jahre lang durfte die Straßenverkehrsordnung nur zwei Dinge regeln: die „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“. Seit 2024 erlaubt es das Straßenverkehrsgesetz auch, Regeln „zur Verbesserung des Schutzes der Umwelt, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung“ aufzustellen. Sie alle müssen aber „die Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigen“ und dürfen „nicht die Sicherheit des Verkehrs beeinträchtigen“. Gerade bei der „Leichtigkeit“ haben konventionelle Verkehrsplaner vor allem oder nur Kraftfahrzeuge im Auge. Selbstverständlich muss sie auch zu Fuß gelten. Hier sind Sicherheit und Leichtigkeit sogar enger verknüpft als bei jedem anderen Verkehrsmitteln: Nur wo es sicher ist, kommt man leicht weiter – vor allem am Bordstein. Und wo es leicht und frei von Hemmnissen und Gefahren geht, ist es auch sicher. 

Straßenverkehrsordnung (StVO) 

Die StVO ist das wichtigste Regelwerk für den Verkehrsalltag. Sie enthält in 53 Paragrafen Bestimmungen zum Fahren und Parken, zum Gehen und zum Recht der Städte und Gemeinden, Verkehrsangelegenheiten lokal zu regeln. Sie wird vom Bundesverkehrsminister erlassen; der Bundesrat muss zustimmen und kann Änderungen bewirken. Der Bundestag hat mit der StVO nichts zu tun.  

Wegen des umfangreichen Stoffs zitieren wir hier nur einige Passagen, die fürs Gehen wichtig sind, in denen wir uns andere Regeln wünschen oder das wirksame Durchsetzen bestehender Vorschriften und Verbote. 

Paragraf (Absatz)  Text oder Thema  FUSS-Folgerung und Forderung 
2 (1) „Fahrzeuge müssen die Fahrbahnen benutzen“ Dies regelt indirekt, dass auf Gehwegen nicht gefahren und geparkt werden darf – außer es ist explizit erlaubt. Die Kernfunktion der Gehwege sollte aber auch unmittelbar und direkt in der StVO genannt sein.
2 (5) Mit einem auf dem Gehweg radfahrenden, höchstens sieben Jahre alten Kind darf eine „Aufsichtsperson für die Dauer der Begleitung den Gehweg ebenfalls mit dem Fahrrad benutzen. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen.“

Regel mit negativen Folgen und wenig Nutzen fürs Rad, mehr  hier

 

3 (3)

„Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt … innerhalb geschlossener Ortschaften … 50 km/h.“

 

Wir wollen 30 als Regel und 50 als Ausnahme – mehr hier
4 (1) „Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird.“

Der Abstand sollte so groß sein, dass im überblickten Bereich gehalten werden kann. Das schützt Menschen, die zu Fuß die Fahrbahn überqueren.

 

9 (3) Abbiegen: „Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.“ Gute Regel, die aber oft ignoriert wird. Nötig sind mehr Aufklärung über die Regel und schärfere Sanktionen.
Sinnvoll ist eine Ergänzung: Wer  an einer Kreuzung oder Einmündung die Fahrbahn einer untergeordneten Straße zu Fuß überquert, hat Vorrang vor Fahrenden.
12 (4) „Zum Parken ist … an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren.“ Indirektes Verbot, auf dem Gehweg zu parken. Das sollte explizit und direkt in der StVO stehen.
20 (1 und 2)

„An Omnibussen …, an Straßenbahnen und … Schulbussen darf … nur vorsichtig vorbeigefahren werden.

… Wenn nötig, muss, wer ein Fahrzeug führt, warten.“

 

Sinnvolle Regel, aber häufige Verstöße vor allem dort, wo Radwege über Haltestellen führen.  Mehr hier
25 (1)

„Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat.“

 

Auf der Fahrbahn sollte auch gehen dürfen, wer keinen benutzbaren Gehweg vorfindet, z.B. wegen schwerer Schäden oder wegen Falschparkern.
25 (3) „Wer zu Fuß geht, hat Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten.“ Die Vorschrift behandelt Gehende als Störfaktur des Fahrverkehrs. Die unterstrichenen Teile sind bis heute fast wortwörtlich aus der Reichs-StVO von 1937 erhalten. Einzige Änderung: Bis 2024 musste der kürzeste Weg gegangen werden, jetzt nur noch ein kurzer. Wir fordern: Wer geht, bestimmt selbst den besten Weg über die Fahrbahn. Niemand wird sich dort freiwillig lange aufhalten.
25 (3) „Wenn die Verkehrsdichte, Fahrgeschwindigkeit, Sichtverhältnisse oder der Verkehrsablauf es erfordern, ist eine Fahrbahn nur an Kreuzungen oder Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen, an Fußgängerquerungshilfen oder auf Fußgängerüberwegen (Zeichen 293) zu überschreiten. Wird die Fahrbahn an Kreuzungen oder Einmündungen überschritten, sind dort vorhandene Fußgängerüberwege oder Markierungen an Lichtzeichenanlagen stets zu benutzen.“ Fahrbahnen müssen dort überschritten werden können, wo Menschen zu Fuß hin wollen. Umwege über definierte Querungsstellen sind Schikanen.
Nicht in der StVO Vorschriften zum Gehen auf Gehwegen: Tempo, rechts/links, Anhalten, Richtung wechseln usw. Das ist gut so. Fußverkehr regelt sich meist intuitiv selbst und gefährdet andere kaum.
26 (1) zu Zebrastreifen „An Fußgängerüberwegen haben Fahrzeuge … das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dann dürfen sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren; wenn nötig, müssen sie warten.“ Gute Regelung; Verstöße sollten häufiger und strenger geahndet werden. Mehr hier
45 (9)  „Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. … Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.“

Sicherheits-Verhinderungs-Paragraf zugunsten schnellen Kfz-Verkehrs. Hier sind die in anderen Lebensbereichen selbstverständlichen Sicherheitsprinzipien auf den Kopf gestellt: Wer anderswo etwas möglicherweise Unsicheres plant, muss die Verträglichkeit nachweisen. Im Verkehr muss dagegen einen mühsamen Nachweis erbringen, wer einen Ort sicherer gestalten will. Dieses Prinzip gehört vom Reifen auf die Füße gestellt.

Es gibt zwar einen Katalog von Ausnahmen, die keine besondere „Gefahrenlage“ erfordern – seit 2024 auch Zebrastreifen. Der Vorrang der Sicherheit darf jedoch nicht die auf Einzelfälle beschränkte Ausnahme sein.

50  „Auf der Insel Helgoland sind der Verkehr mit Kraftfahrzeugen und das Radfahren verboten.“ Wir zitieren das als Hinweis auf ein kleines Geh-Paradies.