Kein rollendes Verkehrsmittel bietet diese Art der bewussten Wahrnehmung. Wer selbst eins lenkt, muss sich auf Verkehr und Weg konzentrieren. Wer seiner Umgebung zu viel Aufmerksamkeit schenkt oder spontan Richtung und Tempo ändert, lebt gefährlich. Wer von anderen gefahren wird, kann zwar flüchtig gucken – aber mehr nicht.

Städte leben zu Fuß
Wer zu Fuß durch die Stadt geht, nimmt am meisten wahr – andere Menschen, Läden, Bäume, Häuser und ihre Architektur. Die starke Wahrnehmung wird möglich durch das niedrige Tempo und die Flexibilität, jederzeit stehenzubleiben, seitwärts zu gehen oder sich umzudrehen.
Das starke Wahrnehmen und die Flexibilität schaffen zu Fuß eine Vertrautheit mit der Stadt, die man auf keine andere Art gewinnt. Nicht zufällig waren die genauesten Beobachter und Beschreiber unserer Städte literarische Flaneure wie Walter Benjamin und Franz Hessel, stets zu Fuß unterwegs. Aber auch wer zielstrebig geht, gewinnt am meisten von dem, was bei Sozialwissenschaftlern Identifikation mit der alltäglichen Umwelt heißt und bei Konservativen Heimat.
Vielfalt? Ja bitte!
Wer geht, bleibt nicht allein. Man sieht die meisten Menschen und ihre Vielfalt. Auf dem Gehweg sind alle; kein anderer Raum ist so divers. Menschen kommen in flüchtigen Kontakt; einander Bekannte frischen ihn auf dem Gehweg auf. Allein lebende Alte und Junge kommen hier am einfachsten unter Menschen, Kinder erleben die Vielfalt der Welt. Gehwege sind „einmalig vitale und unersetzliche Organe für die Sicherheit der Stadt, für das öffentliche Leben und für das Aufwachsen der Kinder“, schrieb Jane Jacobs in ihrem legendären Buch Tod und Leben großer amerikanischer Städte: „Gehwegkontakte sind das Kleingeld, aus dem das öffentliche Leben einer Stadt wachsen kann.“ ( S.65)
Gehräume können höchst attraktiv für den Aufenthalt sein. Gehen lässt dafür mehr Platz als das platzgreifende Fahren und Parken. Orte für den öffentlichen Aufenthalt erreicht man fast immer zu Fuß – die Straße aus dem stehenden Auto zu betrachten, ist ziemlich steril. Mobilität zu Fuß und Aufenthalt bedingen einander: Bänke und Sitzgelegenheiten sind vor allem für alte Menschen wichtige Lade-Infrastruktur, auf denen sie sitzend neue Kraft tanken.
Sicherheit ohne Videokamera
Gehen macht die Stadtwelt sicherer. Jane Jacobs sprach von „Augen auf der Straße“: Wo fast niemand ist, werden vor allem nachts viele Menschen scheu. Wo andere anwesend sind und eingreifen könnten, werden dagegen potenzielle Täter scheu. Menschen auf der Straße sind besser als Überwachungskameras am Laternenmast.
Gehen macht die Städte bunter und abwechslungsreicher. Wo Fußverkehr stark und üblich ist, können private und öffentliche Einrichtung für den Alltag nicht zentralisiert und kilometerweit auseinander sein. Wenn sie von vielen Menschen erreicht werden wollen, müssen Läden, Schulen, Parks und Polizeiwachen kleiner und verstreuter sein. Allein das bringt der Stadt viel mehr Mischung und Abwechslung als ein monströses Einkaufszentrum hier, Bildungszentrum dort und wohnen ohne weitere Angebote an einer dritten Stelle.
FUSS Folgerungen und Forderungen
1.
Gehen belebt den Stadtraum, Durchfahren beeinträchtigt eher das Leben vor Ort.
2.
Der Weg quer über die Straße ist so wichtig wie der Weg längs auf ihr.
3.
Fahrzeuge, auch größere und potenziell schnellere, gehören zur Stadt. Wir wollen sie nicht ausschließen, aber sie sollen sich beim Fahren anpassen und nur dort abgestellt werden, wo der Stadtraum nicht für Wichtigeres gebraucht wird.