Parkplatz-Punks im Rathaus von Münster
Anarchy in Germany – das war mal ein Motto von Punks. Heute handeln danach Parkplatz-Punks in allzu vielen deutschen Rathäusern. Besonders schrill dröhnt der Anarcho-Punk im angeblich soliden Münster.
Dort förderten hartnäckige Frager schon vor vier Jahren eine Arbeitsanweisung des Ordnungsamts zu Tage, die lautete: Guckt bei bestimmten Rechtsbrüchen einfach weg – nämlich bei jedem Falschparker, der zwischen Auto und Hauswand noch eine Lücke von einem Meter lässt. Dieser wurde unter dem Nachnamen des Oberbürgermeisters als “Lewemeter” sprichwörtlich. Nach viel öffentlichem Protest musste die Parkrepublik Münster ihr rechtswidriges Lokalrecht zurücknehmen.
Jetzt ist wieder eine Arbeitsanweisung (Download hier) bekannt geworden. Und erneut zeigt sich: Im Ordnungsamt von Münster sitzen Punks, die beim Gehwegparken nach dem alten Anarcho-Motto verfahren: “legal, illegal, scheißegal.”
In Deutschland, also theoretisch auch Münster, ist das Parken auf dem Gehweg verboten – es sei denn, an einer bestimmten Stelle ist es mit Verkehrsschild und Bodenmarkierung ausdrücklich erlaubt. Diese Erlaubnis wiederum darf nur gegeben werden, wenn noch genug Platz für die Begegnung Gehender bleibt. Darum kann Münsters Stadtverwaltung solche Erlaubnisse auf den oft schmalen Gehwegen nur legalen, wenn sie ihrerseits gegen die dafür geltende bundesweite Verwaltungsvorschrift verstößt.
Daumenpeilung statt Bundesrecht
Macht nichts – dann sollen die Leute in der westfälischen Anarcho-Republik eben illegal parken. Die Mitarbeiter des Ordnungsamts sind angewiesen, sich beim Ahnden nicht nach dem bundesweiten Recht zu orientieren, sondern nach Münsteraner Willkür – nämlich „am Schutzgut und dem Grad der Behinderung oder Gefährdung“ (Arbeitsanweisung S.10 unten, PDF-Nummerierung Blatt 11). Nach dem Ein-Meter-Debakel erhalten die Ordnungskräfte kein konkretes Maß mehr dafür, ab wann ein illegal abgestellte Auto wen wie gefährdet und behindert. Das müssen sie über ihren amtlichen Daumen peilen. Wen interessieren da schon rechtsstaatlichen Grundsätze wie gleiche Regeln für alle, keine Willkür, Verlässlichkeit?
Westfälisches Landrecht soll in Münster auch beim Abschleppen gelten. Auf Zebrastreifen soll das nur praktiziert werden, „wenn dieser nicht mehr benutzt werden kann“. Steht ein Auto halb drauf, behindert die Sicht und gefährdet damit die Gehenden – egal.
Parkt jemand illegal eine Straßenecke zu, versperrt hier die Sicht und gefährdet damit Gehende beim Überqueren, dann ist das nach Münsteraner Amtsmaßstäben so harmlos, dass das Auto stehen bleiben kann und nicht abgeschleppt wird. Auch in krassesten Fällen dürfen die Ordnungskräfte nicht sofort den Abschleppwagen rufen. Erst benötigen sie „eine Freigabe als Einzelfallentscheidung durch den/die 1.SB VÜK“ (Arbeitsanweisung S.10 oben). Bis die kommt, sind die Kinder am Sichthindernis auf dem Schulweg vorbei – mit etwas Glück sogar unverletzt.
Das Eckenparken ist nach Bundesrecht verboten, wenn ein Fahrzeug weniger als fünf Meter von der Mitte der Kurve (laut Straßenverkehrsordnung „vom Schnittpunkt der Fahrbahnkanten“) entfernt stünde. Münsters Amtsanweisung spricht vom „sog. 5-Meter-Bereich“ (S.16). Er ist wirklich sehr sogenannt, den Münster macht aus dem fünf Bundesmetern mal eben vier: „Das Fahrzeug muss aber mindestens 1m in das Sichtdreieck hineinragen, um die Ahndung von Bagatellverstößen auszuschließen.“ Solcher Rechtsbruch ist nach Münsterschen Maßstäben nur eine Bagatelle, auch wenn er zur bekannten Unfallfloskel aus Polizeiberichten führt „Kind trat plötzlich zwischen Sichthindernissen hervor“.
Hauptsache, es gibt Platz für Autotüren
Welcher Geist in Münsters Ordnungsamt herrscht und spukt, zeigt auch die Regel für Motorräder Mopeds auf dem Gehweg. Nach Bundesrecht haben auch sie dort nichts verloren. In Münster schon. Die Fahrer der Harleys und Hondas müssen nur einen Fahrradständer blockieren, dann ist alles gut. „An oder neben Fahrradständern werden motorisierte Zweiräder (auch mit Seitenwagen) nicht mehr verwarnt.“ (S.29)
Verwarnt werden ihre Fahrer nur unter der Bedingung: „Es blockiert einen Gehweg oder Radweg vollständig.“ Halbe oder Dreiviertelblockaden sind egal. Was macht es schon, wenn Gehende sich zwischen schmuddeligem Geländebike und schrammiger Hauswand durchquetschen müssen?
Eins geht aber gar nicht: dass Motorradparken „auf dem Gehweg zu einer konkreten erheblichen Behinderung ein- und aussteigender Personen“ führt. Da werden Münsters Ordnungs-Anarchos plötzlich streng: Als Schwenkraum für Autotüren muss der Weg immer frei sein.