Fußverkehrs-Politik: Schwarz-rote Flaute

2024 und Anfang 2025 waren eine politisch gute Zeit für den Fußverkehr, doch aktuell herrscht Flaute: Schwarz-Rot zeigt bisher fast kein Interesse am Gehen. Umso mehr werben wir für die wachstumsstärkste Mobilitätsform.

Ab Juni 2024 ging es in der Fußverkehrspolitik Schlag auf Schlag voran:

  • Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte, was in der Straßenverkehrsordnung steht: Gehweg-Parkverbot heißt tatsächlich Parkverbot.
  • Das Straßenverkehrsgesetz, die Straßenverkehrsordnung und ihre Verwaltungsvorschriften wurden novelliert. Die Städte und Gemeinden können jetzt mehr Flächen zugunsten des Fußverkehrs umverteilen, öfter Tempo 30 anordnen und leichter Zebrastreifen schaffen.
  • Die frühere Bundesregierung verabschiedete kurz vor der Wahl die erste nationale Fußverkehrs-Strategie.

Wie wichtig und richtig das alles ist, zeigte sich im März 2025 in der Studie „Mobilität in Deutschland“. Nach ihr ist Fußverkehr die wachstumsstärkste Mobilitätsform im Land; der Anteil der vollständig zu Fuß zurückgelegten Wege ist seit 2017 von 22 auf 26 Prozent gestiegen.

Doch die schwarz-rote Koalition zieht daraus keine Konsequenzen; seit dem Regierungswechsel tut sich zum Fußverkehr fast nichts. Das zeigen Äußerungen, Handlungen sowie Gespräche mit Abgeordneten und dem neuen Verkehrsminister Patrick Schnieder, letzteres in einer Verbänderunde am 13. Oktober.

Im schwarz-roten Koalitionsvertrag vom 5. Mai 2025 kommt der Fußverkehr nur knapp vor: „Den Rad- und Fußverkehr werden wir als Bestandteil nachhaltiger Mobilität stärken und fördern.“ Es gab keine Aussage dazu, ob aus der Fußverkehrsstrategie die fällige Konsequenz gezogen und ein Fußverkehrsplan verabschiedet werden soll, der aus der Strategie ein verbindliches Handlungskonzept macht.

Mehr dazu versuchte der Verkehrssprecher der Linksfraktion, Luigi Pantisano, in einer Kleinen Anfrage herauszufinden. Fragen und Antworten sind hier verlinkt. Daraus geht hervor: Dem Verkehrsministerium war die Bedeutung eines Nationalen Fußverkehrsplans überhaupt nicht bewusst. Auf Pantisanos Frage dazu antwortete es knapp: „Zunächst ist die Umsetzung der Fußverkehrsstrategie abzuwarten.“ Dass es gerade dazu den Plan braucht, ignorierte die Regierung.

Im Gespräch mit Minister Schnieder fassten wir nach, wiesen auf die Bedeutung eines solchen Plans hin, hielten den substanzstarken „Masterplan Gehen 2030“ von Österreich hoch und gaben Schnieders Sprecher ein Exemplar.

Auch zu anderen von uns angesprochenen Themen gab Schnieder keine konkreten Antworten:

  • Weitere Novellierungen der Straßenverkehrsordnung. Wir verwiesen auf die Empfehlungen der (Bundesländer-)Verkehrsministerkonferenz von 2021  zugunsten des Fußverkehrs, die zum Großteil noch nicht umgesetzt sind.
  • Mehr Tempo 30. Hier verweist das Ministerium darauf, dass die jüngste Novelle es auch auf vielen Hauptverkehrsstraßen innerorts mit Ausnahmeregeln ermögliche. Die Konsequenz, aus den vielen Ausnahmen eine Regel zu machen, will es aber nicht ziehen.
  • Die EU hat sich dem Druck Donald Trumps gebeugt, Import-Hindernisse für Autos zu beseitigen. Damit drohen auf unseren Straßen Fahrzeuge wie der Dodge-RAM, die mit ihren Rammbügeln, hohen Frontpartien und scharfen Kanten in den USA zu einem starken Anstieg tödlicher Fußgänger-Unfälle geführt haben und bisher in der EU aus gutem Grund verboten sind. Schnieder sagte nichts dazu, ob und wie Europas Fußgänger hiervor bewahrt werden sollen.
  • Auch zu von uns angeprochenen aktuellen Plänen für die Privilegierung von E-Scootern sagte der Minister nichts.

Auf bescheidenem Niveau stabil ist immerhin die „Förderinitiative Fußverkehr“ des Bundes mit jährlich 2,5 Millionen Euro. Sie sind jetzt nicht mehr im normalen Etat enthalten, sondern im Klima-Transaktionsfonds. Die Förderinitiative wird kompetent und engagiert von der Bundesanstalt für Mobilität und Logistik (BALM) gemanagt. Die bisher vom Bund geförderten Projekte stehen auf der Karte und Liste hier.  Wer sich für die Förderbedingungen interessiert, findet sie hier.

Neben dem Ministerium nahmen wir Kontakt zu den vier demokratischen Fraktionen auf. Hervorzuheben ist unter den Abgeordneten vor allem der oben bereits erwähnte Luigi Pantisano, der Fußverkehrs-Belange bereits früher in seiner Stuttgarter Heimat vertrat und jetzt in Berlin am deutlichsten die Fahne dafür hochhält. Bei den Fachsprechern anderer Fraktionen werden derzeit Belange des Auto- oder Radverkehrs deutlich höher gehandelt.

Das meiste klingt für den Moment entmutigend. Unser Ziel ist und bleibt es, dass der Fußverkehr nicht mehr polit-konjunkturellen Auf- und Abschwüngen ausgesetzt ist, sondern seine Bedeutung steigt und sich verfestigt – in verantwortlichen Köpfen, in Haushalten, Programmen, im Fußverkehrsplan und nicht zuletzt im Stellenplan des Bundes. Hier hatten wir schon in den Vorjahren deutliche Fortschritte erzielt und setzen darauf, dass das Gewicht des Themas wieder wächst. Der wachsende Fußverkehr und seine vielen Qualitäten, seine aber zugleich bestehende Gefährdung und Behinderung sprechen dafür.

17.10.25