Wozu ist die Straße da – wer darf sie wie benutzen?
Zuerst ein wichtiger Unterschied zwischen Umgangssprache und der gesetzlichen: In der Umgangssprache meint „Straße“ oft nur die Fahrbahn. In der gesetzlichen ist es das gesamte „Straßenland“ einschließlich der Gehwege und weiteren öffentlichen Flächen.
Dann zu zwei Grundbegriffen in den Straßengesetzten der Länder, die bedeutsam dafür sind, wer eine Straße wie nutzen darf. Der erste Begriff ist der „Gemeingebrauch“: das Recht, das alle haben und einander nicht streitig machen dürfen. Gemeingebrauch ist nach den Ländergesetzen das Verkehren auf der Straße, also auch das Verkehren zu Fuß. Der Staat und andere Individuen dürfen das nicht grundsätzlich behindern. Aber natürlich darf der Staat Regeln erlassen, wer welche Straßenteile wie benutzen oder auch nicht benutzen darf. Für das Gehen auf dem Gehweg gibt es keine differenzierten Regeln. Stehen, Spielen und vieles mehr ist möglich, solange es den Gemeingebrauch nicht stört.
Schon ein Klappstuhl ist „Sondernutzung“
Der zweite Begriff ist die „Sondernutzung“: das sind alle Aktivitäten und Gegenstände auf der Straße, die nicht unter den Gemeingebrauch fallen. Dazu gehört Kommerzielles wie Caféterrassen oder Werbeschilder, aber auch private Aktivitäten jenseits des Verkehrs – das beginnt schon mit dem Hinstellen eines Klappstuhls. Sondernutzungen müssen von den Kommunen einzeln genehmigt werden und dürfen den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigen. In der Praxis tun sie es aber oft, wenn zum Beispiel neben der Straßenkneipe zu wenig Raum zum Gehen bleibt. Wo die Ämter nicht aufpassen, geschieht das oft illegal: Wirte stellen einfach Tische über den Raum hinaus, den ihnen die Stadt zugestanden hat. Wer unter einer übermäßigen Sondernutzung leidet, sollte das der zuständigen Behörde melden – meist das Ordnungsamt – um Abhilfe bitten oder sie direkt fordern, wenn die Sondernutzung den Fußverkehr spürbar behindert oder gefährdet.
E-Scooter und Teileinziehung
Unterschiedlich wird in Deutschland je nach Bundesland und teils von Stadt zu Stadt die Frage behandelt, ob das Anbieten von E-Scootern und Leihrädern Gemeingebrauch ist, also die Firmen einen Anspruch hierauf haben, oder ob es sich um eine Sondernutzung handelt. Mehr dazu hier.
Nach Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung ist es schwierig und kann leicht vor Gericht angefochten werden, die „Leichtigkeit“ des Gemeingebrauchs „Autofahren“ mit Verkehrsschildern, Sperren oder einem Umbau der Straße einzuschränken. Allerdings ist der Gemeingebrauch zu Fuß und mit Fahrrad durch die Novelle der StVO von 2024 gestärkt.
Ein umständlicherer, aber juristisch solider Weg ist die „Teileinziehung“: Die Gemeinde beschließt, dass ein bestimmtes Stück Straße rechtlich nicht mehr Straße ist, sondern nur noch bestimmten Zwecken dient – zum Beispiel als Fußgängerzone. Dieses Instrument wird seit 2023 vermehrt für Schulzonen empfohlen und angewendet, aus denen Elterntaxis und andere Autos verbannt werden sollen.
Ein ignorantes Bundesgesetz
Ein Sonderfall ist das Bundes-Fernstraßengesetz. Es regelt den Bau, den Unterhalt, den Gebrauch und teils auch Nutzungen in der nächsten Umgebung von Autobahnen und Bundesstraßen. Es enthält eine aus unserer Sicht sehr schlechte Regelung zu Gehwegen an Bundesstraßen: Der Bund zahlt Bau und Unterhalt bis zu einer Breite von 1,5 Metern, also weit unter dem Regelmaß (hier unsere Broschüre zum Thema Gehwegbreiten zum kostenlosen Download). Die Gemeinden geben dann oft kein Geld aus, um den Weg zu verbreitern. Dabei sind dies oft die meistbegangenen Straßen in einem Ort. Zudem sind sie dicht, schnell und mit vielen LKWs befahren – es wäre also besonders nötig, Abstand vom gefährlichen Fahrverkehr zu halten.