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Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 111/2022

Ausgangslage

Die Nahmobilitätsförderung ist bereits seit dem Koalitionsvertrag 2014 in Hessen fester Bestandteil der Regierungspolitik. 2016 wurde die Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen gegründet. Bei der Arbeitsgemeinschaft geht es jedoch hauptsächlich um den Radverkehr, und der Fußverkehr spielt eine eher untergeordnete Rolle. Dieses Forderungsprogramm des FUSS e.V. Hessen ist das erste Mal, dass eine FUSS e.V. Landesgruppe in einem so umfassenden Werk konkrete Forderungen an eine Landesregierung richtet.

Inhalt

In dem Text fordert der FUSS e.V. Hessen von der Landesregierung eine Förderung des Fußverkehrs anhand von fünf Handlungsfeldern.

Der Fußverkehr macht in Hessen 24% des Modal-Splits aus, und ist somit nach dem motorisierten Individualverkehr (MIV) der größte Anteil. Außerdem kommt dem Fußverkehr durch die vielseitige Nutzung eine große Bedeutung zu: „Jede/r ist Fußgängerin oder Fußgänger“, denn „jeder Weg beginnt und endet mit einem Fußweg.“ So sind auch Haltestellen des ÖPNV nur so nützlich, wie sie für den Fußverkehr erreichbar sind.

Das Gehen ist nicht nur eine Fortbewegungsmöglichkeit, sondern auch der Aufenthalt im öffentlichen Raum. Eine Aufwertung der Fuß­infrastruktur bedeutet also eine Aufwertung der Qualität des städtischen Lebens. Wird der Aufenthalt im öffentlichen Raum angenehmer, wird er belebter, wodurch die soziale Sicherheit steigt.

Hinzu kommen die niedrigen ökologischen und ökonomischen Kosten des Fußverkehrs: Das Zu-Fuß-Gehen ist die klimafreundlichste Fortbewegungsart, und die dafür benötigte Infrastruktur ist die kostengünstigste.

Vor dieser bedeutenden Stellung im Leben in der Stadt ist die geringe Bedeutung, die dem Fußverkehr in der Planung eingeräumt wird, nicht angemessen. Deshalb fordert der FUSS e.V. Hessen die zumindest gleichwertige Behandlung mit dem Radverkehr, der immerhin nur 8% des Modal-Splits ausmacht.

Insgesamt soll der oft auftretende Konflikt zwischen Rad- und Fußverkehr nicht „unter den Tisch gekehrt“ werden. Durchaus gibt es Unterschiede zwischen den beiden der Nahmobilität zugeschriebenen Verkehrsmittel, die eine gemeinsame Nutzung von Restflächen erschweren. Dazu zählt vor allem die Geschwindigkeitsdifferenz. Auch der Konflikt auf Wanderwegen wird angesprochen. Die verbesserte Planung des Fußverkehrs soll anhand von fünf Handlungsfeldern erfolgen.

Zuerst muss die Planung des Fußverkehrs in der Verwaltung verankert werden, indem zwischen Rad- und Fußverkehr als Nahverkehrsmittel getrennt wird. Wo möglich sollte es, nach Schweizer Vorbild, Fußverkehrsbeauftragte geben. Dadurch bekommt der Fußverkehr auf der Verwaltungsebene einen höheren Stellenwert, und wird nicht den anderen Verkehrsmitteln nachrangig behandelt.

Das zweite Handlungsfeld umfasst mehrere Bereiche, die sich aber alle ums Informieren drehen. Zum einen der Wissenstransfer durch Fußverkehrsakademien, bei denen im Rahmen von Workshops, Seminaren oder Veranstaltungsreihen Fußverkehrs-relevante Themen besprochen werden, zum anderen aus Veröffentlichungen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, und kommunalen Entscheidungsträgern als Grundlage dienen sollen.

Das dritte Handlungsfeld ist eine logische Fortführung des ersten: Der Fußverkehr braucht ein eigenes Budget und selbstständige Förderprojekte. Mögliche Investitionsstellen wären die Förderung von Modell- und Pilotprojekten, Förderung von Wanderwegen, und Wettbewerbe für fußverkehrsfreundliche Maßnahmen.

Das fünfte Handlungsfeld sieht vor, rechtliche Grundlagen für einen verbesserten Fußverkehr zu schaffen. Dazu gehört unter anderem das Verringern des legalen Gehwegparkens, welches insbesondere für Geh- oder Sehbehinderte eine beträchtliche Barriere darstellen kann. Zudem soll aber auch der Konflikt auf Wanderwegen zwischen Wander:innen und Mountainbiker:innen durch Fahrverbote gelöst werden. Zu den rechtlichen Grundlagen gehört es auch, dass untergeordnete Behörden in den Kommunen Vorgaben bekommen, wie der ruhende Verkehr zu regeln ist.

Zudem soll nicht nur der innerörtliche Fußverkehr Beachtung finden, sondern auch der ländliche. Das bedeutet unter anderem, dass auch Wanderverbände in die Fußverkehrsförderung miteinbezogen werden sollen, und dass naturnahe Wanderwege gesichert und Wanderwegnetz gefördert werden sollen.

Abschließend hofft der FUSS e.V. Landesverband Hessen darauf, dass über die Forderungen hinaus ein Arbeitskreis Fußverkehr gegründet wird, in den Wanderverbände miteinbezogen werden, und eine ministeriumsübergreifende Beteiligung möglich ist.

Bewertung

Das Forderungsprogramm gibt ein überzeugendes Plädoyer für eine eigenständige Planung des Fußverkehrs. Die Gleichstellung mit dem Radverkehr in der Verwaltung wird zwar dem Anteil des Fußverkehr am Modal Split nicht gerecht, ist aber dennoch ein enormer Sprung für den oft vernachlässigten Fußverkehr.

Der Verweis im ersten Kapitel auf die hohe und vielseitige Bedeutung des Fußverkehrs gibt der Argumentation eine hohe Legitimität. Zudem beruft der Text sich an vielen Stellen auf Pressemitteilungen von Ministerien und Kommunen, und auf wissenschaftliche Artikel. Dadurch hat er eine fundierte Argumentationsbasis.

Der angesprochene Konflikt auf Wanderwegen ist ein sehr aktuelles Problem. Es ist aber fraglich, ob ein reines Fahrverbot für Fahrräder auf Wanderwegen zum Lösen des Problems reichen würde. Ähnlich wie bei Skateboards in der Stadt sind Mountainbikes an Naturhängen vermutlich nicht komplett zu beseitigen. Zielführender könnte die Kombination mit Alternativangeboten wie angelegten Strecken sein.

Titel:

Damit der Fußverkehr nicht unter die Räder kommt

Verfasser:

FUSS e.V. Hessen (Hrsg.); Sina Selzer, Manfred Bernard, Manuel Denkwitz, Markus Schmidt & Andreas Schmitz, November 2021

Bezug:

Kostenloser Download auf umkehr-fuss-online-shop.de → Kostenlose Downloads → Themen → Hessen 2022 - Damit der Fußverkehr nicht unter die Räder kommt

 

Impressum:

Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Mai 2022. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autor dieser Ausgabe: Nicholas Howes.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.fuss-eV.de

Möchten Sie, dass eine aktuelle Fachliteratur mit einem deutlichen Fußverkehrs-Bezug im Kritischen Literaturdienst Fußverkehr besprochen wird, nehmen Sie bitte mit FUSS e.V. Kontakt auf.