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Im Grundschulalter von 7 bis 10 Jahren legen Menschen 35 Prozent ihrer Wege komplett zu Fuß zurück – mehr als alle anderen Altersgruppen (Quelle: MID 2017 – die differenzierte Zahl der MID 2023 gibt es noch nicht). Das Gehen tut den Kindern sehr gut: Sie leben ihren Bewegungsdrang aus. Sie fördern ihre Gesundheit. Sie entdecken die Welt und werden selbständiger. Oft sind sie nur in ihrer Gehzeit nicht unter Aufsicht von Erwachsenen – was denen manchmal Angst macht, aber den Kindern Selbstbewusstsein.

Allerdings gehen Kinder von heute viel weniger als früher. Studien zufolge liefen 1970 noch etwa 90 Prozent zu Fuß zur Schule, heute 40 Prozent. Das ist ein doppelter Teufelskreis: Je mehr Kinder zur Schule gefahren werden, desto mehr bleiben unselbständig – und desto mehr sind die noch Gehenden im Elterntaxi-Chaos gefährdet und werden deshalb auch gefahren.

Eltern und andere Erwachsene sollten mit Kindern möglichst viel zu Fuß gehen – und sie buchstäblich schrittweise daran gewöhnen, es auch ohne sie zu tun. Dabei helfen zum Beispiel „Laufbusse“: Kindergruppen, die von einzelnen oder keinen Erwachsenen auf festen Routen zur Schule begleitet werden.

Fortschritt seit 2025: Tempo 30 auf “hoch frequentierten Schulwegen”

Einer der größten Fortschritte im neuen Verkehrsrecht: Wo viele Schulkinder unterwegs sind, ist Tempo 30 ab jetzt die Norm und 50 die Ausnahme. In der neuen Verwaltungsvorschrift (VwV zum Verkehrszeichen 274 heißt es:

“Innerhalb geschlossener Ortschaften ist die Geschwindigkeit auch entlang hochfrequentierter Schulwege in der Regel auf Tempo 30 km/h zu beschränken. Dies gilt insbesondere auch auf klassifizierten Straßen (Bundes-, Landesund Kreisstraßen) sowie auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306).”

Damit ist das alte, unselige Prinzip “50 ist die Norm, 30 die zu begründende Ausnahme” erstmals für Hauptverkehrsstraßen umgedreht. Für die 30-Strecke gibt es auch keine maximale Länge. Und 30 gilt auch weit weg von der Schule dort, wo viele Kinder zu einer Schulbus-Haltestelle gehen oder von dort kommen.

Wann ist ein Schulweg “hoch frequentiert”? Hierzu lautet die Verwaltungsvorschrift:

“Hochfrequentierte Schulwege sind Straßenabschnitte, die innerhalb eines Stadt- oder Dorfteils eine Bündelungswirkung hinsichtlich der Wege zwischen Wohngebieten und allgemeinbildenden Schulen haben. Diese Wege können auch im Zusammenhang mit der Nutzung des ÖPNV bestehen. Ihre Lage ist begründet darzulegen. Sie kann sich auch aus Schulwegplänen ergeben, die von den betroffenen Schulen und der zuständigen Straßenverkehrsbehörde sowie ggf. Polizei und Straßenbaubehörde erarbeitet wurden.“

Das kann und soll nicht nur Wege schützen, die direkt zur Schule führen, sondern auch Wege der Kinder zu und von Bussen und Bahnen, die Schulen bedienen.

Wie stark ein Stück Schulweg frequentiert ist, kann leicht digital ermittelt werden, wie dieses Beispiel zeigt: Für die Karte auf der Website wurden die Wohnadressen der Kinder verwendet (natürlich anonymisiert) und daraus die  Wegebeziehungen zur Schule ermittelt. Viele Kinder = hochfrequentierter Schulwege.

Alle Verkehrsbehörden sind aufgefordert, die neue Vorschrift rasch umzusetzen. Und sie brauchen eine explizite Begründung, wenn sie das erlaubte Höchsttempo auf einem solchen Schulweg bei 50 Stundenkilometern lassen.

Kinder können sich nur bedingt an schnellen Fahrverkehr anpassen: Sie sehen Autos wegen ihrer Größe und geparkter Fahrzeuge oft schlechter. Oft können sie nur schwer Geschwindigkeiten oder komplexe Situationen an Kreuzungen einschätzen. Sie an schnellen Fahrverkehr anzupassen, ist unmöglich. Das Gegenteil ist dringend nötig Fahrverkehr muss ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen angepasst werden.

FUSS Folgerungen und Forderungen

1.

Kinder brauchen Mobilitätsbildung, die ihnen zur Selbständigkeit, eigenen Erkenntnissen und aktiver Sicherheit im Verkehr verhilft. Sie brauchen keine Verkehrserziehung, die sie vor allem ängstigt und Fahrenden suggeriert, dass Kinder sich ihrem Tempo und Vorrang schon anpassen werden.

2.

Kinder brauchen fahrzeugfreie und hinreichend breite Gehwege, auf denen sie auch spontan rennen, hüpfen, quer gehen und stehen können. Die Wege sollten nicht steril sein, sondern Abwechslung, Chancen zum spontanen Entdecken und Erproben bieten.

 

3.

Alle 100 bis 200 Meter müssen Kinder in Städten und Dörfern Fahrbahnen überqueren. Hier sollte niemand schneller als 30 fahren dürfen. Kinder brauchen freie Sicht und Vorrang – am besten mit durchgehendem Pflaster auf Gehweg-Niveau und Fahrzeuge bremsenden Schwellen, am zweitbesten durch Zebrastreifen, zur Not durch Ampeln.

4.

Vor jeder Schule braucht es Freiräume, die nicht befahren und nicht beparkt sind. Sicherheit und Bewegungsbedürfnis von Kindern sind gerade hier wichtiger als Fahr- und Parkwünsche von Erwachsenen.

5.

Kinder auf dem Fahrrad müssen Rücksichtnahme auf langsamere, oft kleinere Kinder zu Fuß lernen. Sie sollten frühestmöglich auf Radwegen und Fahrbahnen unterwegs sein statt auf dem Gehweg.