Tempo 30 in Zonen
Tempo-30-Zonen sind nur in Nebenstraßen des Kfz-Verkehrs möglich. Ampeln dürfen laut Paragraf 45 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung nicht neu angelegt werden, seit November 2000 geschaffene müssen abgebaut werden. Zebrastreifen sind nach der Richtline R-FGÜ. „in der Regel entbehrlich“, können aber bei wichtigen Fußwegverbindungen und auch bei besonders sicherungsbedürftigen Wegen zum Beispiel zu Kindergärten und Schulen geschaffen werden. Benutzungspflichtige Radwege darf es in der Tempo-30-Zone nicht geben. Auch das Zeichen „Fahrrad frei“ auf Gehwegen ist nach dieser Logik unzulässig, da Tempo 30-Zonen per se als ungefährlich fürs Radfahren gelten.
Tempo-30-Gegner behaupten oft, auf der Mehrzahl der Straßen in ihrer Stadt gelte ja schon Tempo 30. Zählt man die Straßen nach Namen, stimmt das oft. Addiert man aber die Länge dieser Straßen, sieht es anders aus: die vielen kurzen Gassen bilden oft einen kleineren Teil des Netzes als die Hauptstraßen des KfZ-Verkehrs , auf denen Tempo 50 gilt – in Leipzig beispielsweise nur 39 Prozent.
Und gerade auf großen Straßen wäre 30 segensreich: Hier leben und verkehren besonders viele Menschen. An ihnen liegen besonders viele Ziele aller Art; sie werden rege zu Fuß und per Fahrrad benutzt. Wegen des starken Autoverkehrs gehen Lärm und Abgase bei 30 besonders stark zurück.
Tempo 30 auf Haupt-Kfz-Straßen
Ob und wo die Verkehrsbehörden von Städten und Landkreisen auch auf Hauptverkehrsstraßen (gemeint sind stehts die für Kfz) Tempo 30 statt 50 anordnen dürfen, ist eins der umstrittensten Themen der deutschen Stadtverkehrs-Politik. Die erste Reichs-Straßenverkehrsordnung legte den Städten 1934 Fesseln an, die bis heute nur wenig gelockert sind.
Auf Durchfahrts- und Vorfahrtsstraßen darf Tempo 30 laut Paragraf 45 Abs.6 StVO nur „im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern“ angeordnet werden, nach demselben Paragrafen in Abs.1 Satz 3 auch „zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen“.
Das alles aber nur auf Abschnitten von höchstens 300 Metern, wenn nicht eine zweite schutzbedürftige Einrichtung in weniger als 500 Metern folgt. Auf vielen Straßen führt das zu einen mehrfachen und verwirrenden Wechsel von 50 und 30. Es wird dadurch noch komplizierter, dass zum Beispiel vor Kindereinrichtungen nur tagsüber Tempo 30 angeordnet werden darf, dagegen für den Lärmschutz nur nachts. Mit den Spielräumen, die es auch in den engen Regeln gibt, beschäftigt sich dieses Rechtsgutachten der Deutschen Umwelthilfe.
Wieso diese starren, schwierigen Regeln? Der Grund ist: Schneller Fahrverkehr war und ist allen Bundesverkehrsministern wichtiger als örtliche Wünsche nach Sicherheit, Ruhe, gesünderer Luft oder leichterem Überqueren der Fahrbahn. Das Recht auf hohes Tempo soll zentralstaatlich garantiert werden, weil sonst allzu viele Behörden vor Ort die Wünsche der an den Straßen lebenden Menschen wichtiger nehmen als den Wunsch, hier rasch durchzufahren.
Wachsende Zweifel am Zentralismus
Es mehren sich die Zweifel, ob das zentral vorgegeben werden darf und sollte. Mehr als tausend Städte, Landkreise und Dörfer wollen dieses wichtige Verkehrsthema selbst regeln und haben sich dafür zur Initiative Lebenswerte Städte und Gemeinden zusammengeschlossen. Das Bild oben zeigt ihre Verteilung – und ihre Überparteilichkeit mit Städten und Gemeinden, die von der CDU bis zur Linkspartei geführt werden. (Quelle: Agora Verkehrwende 6/2024)
Das oben erwähnte Gutachten der DUH stützt sich auf Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Daraus leite sich das Recht ab, auch über das am Ort erlaubte Tempo selbst zu bestimmen. Es stehe höher als die Verbote in Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung.
Selbstverwaltung der Gemeinden ist eine urliberale Idee. In diesem Sinn sagte im Jahr 2015 der damalige rheinland-pfälzische Oppositionspolitiker Volker Wissing laut Eifel-Mosel-Zeitung zu Tempolimits im Bundesland: “Dass der SPD-Verkehrsminister in Mainz besser weiß, wo Tempo 30 sinnvoll ist, als die Bürgermeister und Gemeinderäte vor Ort, bezweifele ich.“ Als Bundes-Verkehrsminister sah Wissing das anders: Er hat keine Zweifel, dass er die Sinnhaftigkeit von Tempo 30 auf Dorf-Durchgangsstraßen besser beurteilen kann als die Bürgermeister und Kommunalparlamente aller deutschen Gemeinden. Die Auseinandersetzung geht weiter.