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Kennzeichen: Verständlicher Drang, begrenzter Effekt

Die Forderung nach Kennzeichen kommt oft aus der Erfahrung von Hilflosigkeit: Da bedrängt, schneidet oder rammt mich gar jemand auf dem Rad – aber es ist fast unmöglich, die Person zu identifizieren. Kennzeichen sollen bei Schwarzradlern das Bewusstsein schärfen: Benimm dich oder du wirst erwischt.

Es ist aber zweifelhaft, ob sie helfen. E-Scooter haben Versicherungskennzeichen, werden aber noch öfter rüpeliger gefahren. Die kleinen Ziffern und Buchstaben sind in hektischen, oft schreckhaften Momenten kaum zu lesen und zu merken. Und auch wer das geschafft hat, kennt nur das Fahrzeug und noch nicht den Menschen, der es missbraucht hat.

Der Aufwand wäre für die rund 80 Millionen Fahrrädern in Deutschland immens und träfe auch alle, die sich auf dem Rad korrekt verhalten. Geringer würde er dagegen, wenn die Kennzeichenpflicht auf besonders große und schnelle Räder beschränkt würde. Schon heute unterliegen ihr die S-Pedelecs, deren Motor Geschwindigkeiten bis 45 km/h unterstützt. Voluminöse Lasten- und Paketräder sollten ebenfalls mit Kennzeichen versehen sein.

Führerscheine: Prüfung für alle?

Aufs Fahrrad darf jede und jeder. Verhalten und Regeln werden systematisch nur in der Schule vermittelt, meist im 3. und 4. Schuljahr und unterschiedlich intensiv. Sollten alle eine Prüfung ablegen müssen, bevor sie mit dem Rad auf die Fahrbahn dürfen?

Auch hier sehen wir Zweifel an der Wirksamkeit: Bei den wohl häufigsten Regelverstößen mangelt es nicht an Kenntnissen: dem Fahren auf Gehwegen und bei Rot. Auch ohne Führerschein weiß jeder, dass beides verboten ist. Problem ist vielmehr, dass diese Verstöße zu selten und zu schwach geahndet werden. Rad-Unterricht in der Schule und Aufklärung später halten wir aber für wichtig und sinnvoll, nicht zuletzt für die Radler selbst: Gefahrenaufklärung kann viele Unfälle vermeiden.

Geldbußen: Kräftiger zulangen

Hier sehen wir ein größeres Potenzial zur Verhaltensbesserung als durch Kennzeichen und Führerscheine. Höhere und öfter kassierte Geldbußen schärfen das Bewusstsein für die Regeleinhaltung. In Europa voran geht hier Frankreich, das für Gehweg-Radeln 135 Euro nimmt (übrigens auch für Gehwegparken, Smartphones am Steuer und von Eltern, die Kinder bis 12 ohne Helm radeln lassen). Franzosen sind für einen staatkritischeren Geist als Deutsche bekannt, aber es scheint ziemlich gut zu funktionieren: In Paris und anderswo sind die Boulevards ziemlich fahrzeugfrei.

„Infra“ löst vieles nicht

Manche Radlobbyisten sehen eine Lösung aller Regelbruch-Probleme in besseren Radwegen. Dann nehme keiner mehr den Gehweg, Rad-Fuß-Konflikte würden von selbst verschwinden. Für Straßen mit besonders tückischen Fahrbahnen dürfte das halbwegs stimmen. Aber zu viele Rad-Regelbrüche geschehen nicht aus Mangel an sicherem Raum, sondern aus Bequemlichkeit – oft weil jemand zu bräsig ist, wenige Meter zu schieben oder sein Rad den Bordstein hinunter auf den Radweg zu lenken. Zur Entschärfung von Rad-Fuß-Konflikten hilft an manchen Orten das Zuckerbrot besserer Wege, aber an noch mehr Orten die Peitsche stärkerer Sanktionen.

An manchen Orten ist es sogar hilfreich, die Infrastruktur aus Radlersicht bewusst zu verschlechtern – vor allem durch Bremsen dort, wo zu schnell gefahren wird. Das gilt oft für Radwege durch Haltestellen, für Zebrastreifen, für bergab führende Wege oder Rampen und andere sensible Orte, an denen vielen Menschen zu Fuß über den Radweg müssen. Hier ist Entschleunigung mit den klassischen Mitteln der Verkehrsberuhigung fällig: rauerer Boden, Schwellen, Engstellen, Schwenks oder Umlaufsperren – versetzte Gitter mit Lücke dazwischen, die zu einer langsam zu fahrenden Doppelkurve zwingt.

Umlaufsperren können auf gemeinsamen Fuß-Radwegen auch für Gehende im erweiterten Sinne ein Hindernis darstellen. Sie sind weiterhin nötig, wo an Gefällestrecken und Wegekreuzungen Radfahrer sonst zu plötzlich in den Gehraum gelangen könnten. Sie lassen sich aber so gestalten, dass auch Räder mit Kinderanhänger und Lastenräder, Rollstuhl- und Krankenfahrstuhlfahrende sie passieren können, etwa durch Diagonalstellung.

Zum weiteren Verengen und Verschwenken von Wegen, zu raueren Bodenbeläge, sogenannten Sinuswellen, Aufpflasterungen und Schwellen gibt es noch wenig Praxiserkenntnisse über die Wirkung und über Gefahren für Radler. Hier muss weiter geforscht werden. Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduzierung für Radfahrende müssen von Weitem optisch erkennbar bzw. angekündigt und tatsächlich geeignet, sein die Geschwindigkeit zu reduzieren, ohne Radfahrende zu gefährden.

FUSS Folgerungen und Forderungen

1.

Regelbruch muss riskanter werden – vor allem durch höhere Bußgelder, die schon bei mäßiger Kontrolldichte abschrecken.

2.

Wer korrekt radfährt, sollte möglichst von Bürokratie verschont werden. Gezielte Strafen für Regelbrecher sind besser als Bürokratie und neue Anforderungen, die alle träfen.

3.

Regeln sollten einfacher werden. Allein zum Gehwegradeln gibt es drei Schilder und zwei Zustände (Kind, Begleitperson), die es auf unterschiedliche Weise erlauben. Kaum jemand auf der Straße kennt alle. Mehr Schulung der komplizierten Regeln von heute hülfe dagegen nicht: Die wohl häufigigsten Verstöße – Gehwegradeln und Fahren an roten Ampeln – werden nicht ahnungslos begangen, sondern trotz Regelkenntnis.