Der Vereinsrat des FUSS e.V. – ein gemeinsames Gremium aus bundes-, landes- und stadtpolitisch engagierten Mitgliedern – hat auf seiner Sitzung am 21.April acht Einzelfragen zum Verhältnis von Fuß- und Radverkehr diskutiert. Stets ging es darum Lösungen, den Raum Gehender zu sichern und bewahren – aber unter dieser Prämisse Lösungen suchen, die auch für Radfahrende verträglich sind. Im Vereinsrat sind sie Konsens; aber natürlich laden wir zu weiterer Diskussion ein.

 

Themenfeld "Räder bremsen, fernhalten - oder bevorzugen?"

  1. Räder bremsen?

Räder bremsen in sensiblen Bereichen aller Art: Belagwechsel, Sinuswellen, sanfte und harte Schwellen, verschwenken, verengen oder Umlaufsperren – auch wenn sie ggf. einen Weg für Lastenräder und Kinderanhänger sperren? (aktueller Anlass: ein Erlass Nordrhein-Westfalens zur Demontage von Umlaufsperren)

Umlaufsperren können auf gemeinsamen Geh- und Radwegen auch für Zufußgehende im erweiterten Sinne ein Hindernis darstellen. Sie sind weiterhin nötig, wo an Gefällestrecken und Wegekreuzungen Radfahrer sonst zu plötzlich in den Gehraum gelangen könnten. Sie lassen sich aber so gestalten, dass auch Räder mit Kinderanhänger und Lastenräder, Rollstuhl- und Krankenfahrstuhlfahrende sie passieren können, etwa durch Diagonalstellung.

Das empfiehlt auch der ADFC hier S.10). Allerdings muss aus unserer Sicht stets gewährleistet sein, dass Radler die Sperren nicht schnell durchfahren können, sondern stets vor potentiellen Konfliktstellen abbremsen.

Es gibt zahlreiche weitere Ideen, Radler zu bremsen, etwa das Verengen und Verschwenken von Wegen, rauere Bodenbeläge, sog. Sinuswellen, Aufpflasterungen oder Schwellen. Es gibt noch wenig Praxiserkenntnisse über die Wirkung und über Gefahren für Radler. Hier muss weiter geforscht werden. Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduzierung für Radfahrende müssen von Weiten optisch erkennbar bzw. angekündigt und tatsächlich geeignet sein die Geschwindigkeit zu reduzieren ohne Radfahrende dabei zu gefährden.

  1. Fußgängerzonen: Oft sind sie unter der Bedingung „Schritttempo und Rücksicht“ zum Radfahren freigegeben. Aber das funktioniert in der Praxis oft nicht. Was tun?

    Das Thema „Radeln in Fußgängerzonen“ wird sehr kontrovers betrachtet. Priorität muss ihre Bewahrung als entspannter, sicherer und als sicher empfundener Geh- und Aufenthaltsraum haben. Es kann aus unserer Sicht in Einzelfällen für bestimmte Straßen und zu bestimmten Zeiten zugelassen werden. Es müssen dann aber Kontrollen und Sanktionen gewährleisten, dass die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit und Rücksicht auf Gehende eingehalten werden.Generell sind Rad-Abstellanlagen direkt am Beginn von Fußgängerzonen empfehlenswert. Sie dürfen nicht tiefer in den Zonen liegen, was ansonsten zusätzlichen Radverkehr in der Fußgängerzone erzeugen würde.
  1. Ampeln mit rechtsseitigen Radwegen: sicheres und jederzeitiges Fußqueren gewährleisten z.B. mit Haltelinien, Zebras, Bremsvorrichtungen oder Rad-Vorrang gewähren?

Wo Radwege rechts von Ampeln verlaufen und Radfahrer das Signal nicht auf sich beziehen, müssen querende Fußgänger sicher und ohne Verzögerung zur Fußgängerfurt und wieder von ihr weg kommen. Dies kann durch verschiedene Maßnahmen gefördert werden:

  • Zebrastreifen über den Radweg, wenn nötig mit Aufpflasterung.
  • Den Gehweg optisch durch Pflasterung bis an die Ampel heranziehen (Gehwegnase in den Radweg) mit Beschilderung (Fußgänger Vorrang)
  • Entschleunigung des Radverkehrs – mehr siehe oben unter 1.
  • eine wie die Fahrbahnen geschaltete Radampel vor der Fußgängerquerung über den Radweg. Hierbei müssen aber für Gehende die längeren Wege zu entsprechend längeren Grün- und Räumzeiten führen.

Themenfeld Gehwege

4. Das Begleitrecht auf Gehwegen: pädagogisch wertvoll oder Einfallstor zum Missbrauch?

Kinder bis zum 8. Geburtstag müssen auf dem Gehweg fahren, Kinder bis zum 10. Geburtstag dürfen es. Seit 2016 darf eine „geeignete Begleitperson“ gemeinsam mit ihnen auf dem Gehweg radeln. Kinder wie Erwachsene müssen auf Gehende Rücksicht nehmen, sie weder gefährden noch behindern und ihnen die eigene Geschwindigkeit anpassen.
Dies bringt einige Probleme mit sich:

  • Die Vorschrift ist komplex. Altersgrenzen, Begleiterzahl und gefordertes Verhalten sind vielen nicht bekannt oder werden ignoriert
  • Die Erlaubnis wird oft falsch ausgelegt und führt zu vielfachem Fehlverhalten: Mehrere Ältere begleiten ein Kind.
  • Auch Eltern mit Kind im Rücksitz, Anhänger oder Lastenrad behaupten hier fahren zu dürfen.
  • Es wird ein Vorfahrtrecht zu Lasten Gehender angenommen.
  • Kinder halten Gehwegradeln für sich und ihre Eltern für selbstverständlich: Radler ohne Kinder nehmen Begleitende als schlechtes Vorbild.
  • Radfahrende Kinder sind auch auf dem Gehweg nicht in einer gefahrfreien Zone: Viele Gehwege sind schon zum Gehen zu eng, zum Radeln erst recht. Gehende wechseln spontan die Richtung, kommen plötzlich aus Türen oder von der Fahrbahn. Auch Hunde sind unterwegs, womöglich an Leinen.
  • Die ständige Nähe einer Kontrollperson fördert die Selbständigkeit weniger, als wenn diese zwar erreichbar, aber ein Stück entfernt auf der Fahrbahn ist.
  • Kinder werden nicht allmählich an das Fahren auf der Fahrbahn herangeführt, sondern müssen dies ab dem 10. Geburtstag ohne vorheriges Training oft selbständig leisten.

Aus allen genannten Gründen sollte das Begleitrecht gestrichen werden. Es ist erwiesenermaßen nicht nötig, um Kindern das Radfahren beizubringen: Alle, die 2016 älter als acht Jahre waren, haben es auch ohne legale Gehweg-Begleitung gelernt. Als Rad-Pädagogik empfehlen wir:

  • zum ersten Lernen geschützte Räume wie Verkehrsschulen, Schulhöfe, wenig begangene Plätze und Parkwege.
  • mehr Straßen, an denen auf einer Seite nicht geparkt werden darf. Hier können Begleiter die Kinder von der Fahrbahn aus gut im Blick behalten.
  • mehr verkehrsberuhigte Bereiche und Tempo-30-Straßen.
  • sichere Radwege. Vor allem wenn diese schmal sind, ist aber die Gefährdung durch schnellere Radler zu beachten.
  • Stärkere Durchsetzung der Schutzrechte von Radlern: Tempolimits, Mindestabstände beim Überholen.

Das Thema ist bei radelnden Eltern teils mit Ängsten besetzt; dies muss in unserer Kommunikation berücksichtigt werden. Wir müssen es aber angehen, da es für viele Gehende – nicht zuletzt für viele FUSS-Mitglieder – ein gewichtiges Alltagsproblem darstellt.

  1. Rad abstellen auf Gehwegen: weiter tolerieren, da Umweltverbund, oder freizuhaltende Mindestbreiten und kommunale Steuerungsmöglichkeiten fordern?

Für das Abstellen von Rädern gibt es keine Vorschrift oder Erlaubnis, sondern nur ein durch Gerichtsurteile bestätigtes Gewohnheitsrecht. Kommunen haben keine Möglichkeit, es lokal zu regeln, für bestimmte Orte und Umstände zu untersagen und dagegen vorzugehen. All das führt zu wachsenden Problemen für Gehenden: Wege sind eingeengt, in Einzelfällen gar nicht mehr passierbar, besonders mit Rollstuhl oder Kinderwagen.

Wir schlagen vor:

  • Kommunen bekommen in der StVO Regelungsmöglichkeiten.
  • Kommunen erhalten mehr Möglichkeiten, unzulässig abgestellte Räder zu entfernen (Vorbild Niederlande).
  • Radler erhalten Abstellmöglichkeiten am Fahrbahnrand. Hierbei sind Win-win-win-Lösungen für Radelnde, Gehende und Stadtbetriebe möglich, wenn die Bügel so nah z.B. an Fahrbahnquerungen, Haustoren, Gullys, Hydranten, Kanalschächten, Mülltransportwegen platziert werden, dass diese Orte selbst nicht beparkt werden, von Gehenden passiert und von Feuerwehr, Wasser- und Abfallbetrieben gut erreicht werden können.
  • Sehr geeignete Abstellorte sind auch die jeweils ersten Parkplätze nahe Straßenecken. Zweiräder sind meist niedriger als größere Kfz; die Sichtverhältnisse bessern sich für Fahrende und Gehende. Der zu durchquerende Fahrraum kann schmaler werden. Die Hemmschwelle zum illegalen Eckenparken steigt.
  • Abstellvorrichtungen für Rädern können – wenn unbenutzt – auch zum Sitzen oder Anlehnen benutzt werden.

Themenfeld Rad, Bus und Bahn

  1. Haltestellen: Ist es nötig, Radwege im Haltestellenbereich zu unterbrechen oder funktionieren sanftere Lösungen?

Wo Radwege über Haltestellen führen, müssen Sicherheit und Komfort der Ein- und aussteigenden vorgehen. Das gebieten die StVO in § 20 Abs.2 und 4. Räder können hier zum Beispiel durch Verschmälerung des Radwegs gebremst werden. Am besten ist, aber sie halten während des Ein- und Aussteigens hinter der Haltestelle an. Das kann per Ampel angeordnet werden. Die beste Haltestellenform sind Kaps, an die Busse und Straßenbahnen auf ihrer Spur bleiben und in gerader Linie an den Halt heranfahren. Das bringt mehr Platz im Haltestellenraum und mehr Flüssigkeit für Busse und Bahnen als das Einfahren in eine Haltebucht (was bei der Straßenbahn ohnehin kaum geht).

Manchmal erlaubt es der Platz, den Radweg zwischen Haltestelle und den an die Straße angrenzenden Häusern und Grundstäcken zu führen. Das braucht aber viel Platz und zwingt alle Fahrgäste auf dem Weg zur Haltestelle und von ihr weg über den Radweg zu gehen. Dort brauchen sie Vorrang, zum Beispiel durch einen Zebrastreifen.

  1. Grenzen der Radmitnahme – Raumbedarf, Ausschlusszeiten, Abschaffung von Sitze

    Wenn der Platz im Fahrzeug knapp ist, müssen Rollstühle und Kinderwagen Vorrang vor Rädern haben. Bei der Deutschen Bahn ist das Personal zum Beispiel gehalten, Radfahrer wenn nötig aus dem Zug zu weisen, wenn Vorrang-Personen sonst nicht einsteigen könnten.
  • Sinnvoll sind oft Ausschlusszeiten am Morgen und Nachmittag.
  • Wer mit Kinderwagen oder Rollstuhl fährt, kann meist nicht anders. Die Radmitnahme ist deutlich freiwilliger – auch wenn es Situationen gibt, an denen nach der ÖV-Fahrt der Weg zum Ziel nur per Rad zurückgelegt werden kann. Die Radmitnahme sollte daher nicht kostenfrei sein.
  • Fragwürdig ist es, für starken Radbetrieb am Wochenende oder im Hochsommer Sitze komplett zu entfernen. Dieselben Züge werden das ganze Jahr über von Pendlern benutzt. Wer längere Zeit im Zug stehen muss, wechselt womöglich zum Auto. Die umweltschonend gemeinte Radmitnahme schlägt hier ins Gegenteil um.
  • Langfristiges Ziel ist genug Platz für alle in der Bahn. Das wird aber auf mittlere Sicht nicht erreichbar sein, wo Strecken ausgelastet oder gar überlastet sind, längere Züge nicht an die Bahnsteige passen würden oder wo chronisch Personal fehlt. Solange es nicht genug Platz gibt, sind Prioritäten nötig.

 8. Busspuren: Was tun, wenn Radler Busse ausbremsen (würden)?

Wo für getrennte Busspuren und Radwege kein Raum ist, müssen sich beide oft arrangieren. Das geht am besten auf einer so breiten Spur, dass Radler problemlos überholt werden können. Ansonsten sind Radler gebeten, gelegentlich ganz rechts anzuhalten, so dass Busse passieren können. Dann wird nicht 50 Menschen im Bus wegen eines einzigen auf dem Rad die Fahrt verzögert.

Für gemeinsame Wege kann es gemeinsame Streifen geben, die vor allem Falschparker melden und wenn nötig das Abschleppen veranlassen.