Nicht nur die Feinbäckerei Ruch in Göttingen verfährt nach der Devise: Stühle und Tische machen Fußgängern erst richtig Spaß, wenn ein Werbeschild den Gehweg noch weiter einengt

Auf den Gehweg soll ja so viel: Öffentliche Einrichtungen und Geräte wie Haltestellen (im Prinzip gern), Bäume (fast immer gern), Masten für Laternen (gern, wenn nicht nur für die Fahrbahn) und für diverse Verkehrsschilder (gelten nicht für den Gehweg). Oder Poller, die Autos abhalten sollen, aber auch Fußgänger behindern können.

Dazu kommen die Privaten. Versorgungsunternehmen machen sich auf dem Gehweg längst und breit – hässlich und rücksichtslos vor allem die Telekom. (Foto Koppenplatz). Draußen im Cafe sitzen ist nett, Kneipen-Barrieren gegen Fußgänger sind die Pest (Foto Schiffbauerdamm). Im Einzelhändler-Deutsch haben Werbetafeln und Draußen-Regale einen leider sehr zutreffenden Namen: Stopper. Fahrräder machen sich auf drei Arten breit: Einzelne stehen im Weg, ganze Radständer und in Großstädten grellbunte Leihrad-Haufen. Mehr zu abgestellten Fahrrädern hier.

Fast immer bedeuten Gegenstände auf Bürgersteigen einen Verstoß gegen den „Stand der Technik“. Der ist nicht unmittelbar gesetzlich festgelegt. Aber wer gegen ihn verstößt, trägt Haftungs- und andere Risiken. Den wichtigsten „Stand der Technik“ für Gehwege hat die Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen (FGSV – eine Art DIN-Institut für Infrastruktur) definiert: den Breitenstandard für Gehwege von 2,50 Metern. (Details siehe hier im Abschnitt „Wie breit müssen Gehwege sein?“

Die 2,50 Meter meinen NICHT den Abstand zwischen Bordsteinkante einerseits und Haus, Zaun oder Hecke auf der Gebäudeseite des Gehwegs, der dann beliebig vollgerümpelt werden kann. Sondern sie meinen den Verkehrsraum für Fußgänger, der frei bleiben muss. Und zwar von allem, was das Gehen behindern könnte.

So weit – so einfach – so theoretisch. In der Praxis ignorieren viele Städte den „Stand der Technik“ und setzen darauf, dass Fußgänger schon nicht zusammenstoßen, gegen Gehweg-Gerümpel laufen und bei der Stadt Haftungsanspräche geltend machen.

Man nehme etwa Berlin, das einst stolz auf seine großzügigen Bürgersteige war. Das ist längst vorbei. Heute sagt die Ausführungsvorschrift zum Berliner Straßengesetz  in § 7:

„Gehwege sollen eine Breite von 2,5 m, in Ausnahmefällen von 2 m, nicht unterschreiten. Die von Hindernissen freizuhaltende nutzbare Breite soll mindestens 1,6 m betragen.“ Damit gesteht die Hauptstadt ein: Begegnen sich zwei Fußgänger, müssen sie nicht reibungslos aneinander vorbeikommen. Ein bisschen Körperkontakt muss sein.

Doch selbst das ist anderen Berliner Behörden noch zu breit. Der Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der sich besonders viel aus seine Urbanität und sein Umwelt-Engagement zugute hält, fixiert in einem Flyer für „Sondernutzungen“: eine „Mindestdurchgangsbreite für Fußgänger von 1,50 m“.  Als wenigstens das in einem Fall durchgesetzt werden sollte, sammelten die Kneipiers Unterschriften – und setzten durch, dass der Bürgersteig bis auf einen Restsaum ihr privater Geschäftsraum blieb.

1,50 Meter hält auch das Bayerische Innenministerium für ausreichend, überlässt die Einhaltung aber lokaler Willkür: „In begründeten Ausnahmefällen“ kann „dieses Mindestmaß unterschritten werden“.

Es geht noch enger. Lieb zu Falschparkern, fies zu Fußgängern sind manche Gemeinden und ihre Ordnungsämter. Da gilt die informelle Regel, dass Knöllchen erst geschrieben werden, wenn das Auto den Restraum für Fußgänger auf unter 1,20 Metern einengt.: Quelle: . Das wird dem Fußverkehr so gerecht, als würde für Fahrzeuge in der Straßenmitte ein Gässchen von 1,20 Metern Breite freigelassen.

Die Beispiele zeigen: Viele Behörden kapitulieren vor dem Bürgersteig-Raub. Sie trauen sich politisch nicht, oder kümmern sich erst gar nicht darum.

Um sie dazu zu bewegen, hier ausführliche Rechts- und Hintergrund-Informationen zu den sogenannten „Sondernutzungen“ von Gehwegen. Auf der Seite finden Sie Links zu Muster-Beschwerdeformularen für verschiedenste Geh-Hindernisse.