Autoverkehr: Auch am Stadrand überschätzt

Berlins Verkehr – gespalten in Innen und Außen, Fahrrad und Auto? Das Klischee ist verbreitet, wird aber von Zahlen widerlegt: Auch draußen fährt nur eine Minderheit Auto. Am stärksten ist auch hier der Fußverkehr.Auf der Website des Berliner Verkehrssenats gibt es ein hervorragendes Zahlenwerk: das „System repräsentativer Verkehrserhebungen“, abgekürzt SRV. Dort finden sich je 80 Tabellenseiten für die inneren Stadt – das Gebiet im S-Bahn-Ring plus citynaher Altbauviertel, etwa im Wedding und Friedenau, und 80 Seiten für die äußere Stadt. Das Hauptergebnis: Die Menschen drinnen und draußen verkehren viel ähnlicher als in dem unbelegten Vorurteil, das dazu durch die Stadt wabert.

Wichtigstes Verkehrsmittel sind hier wie dort die eigenen Füße. 38,5 Prozent ihrer Wege legen die Innen-Berliner vollständig darauf zurück und 31,5 Prozent die in den äußeren Quartieren. Auch der Fahrrad-Gebrauch unterscheidet sich nicht extrem stark: drinnen 22 Prozent der Wege, draußen 14. Noch gleicher zwischen drinnen und draußen verteilt ist der öffentliche Verkehr: S-Bahnen und Trams werden draußen etwas häufiger benutzt, Busse sogar fast doppelt so oft. Nur die U-Bahn ist innenstadt-lastiger.

Schließlich zum privaten Auto. Es ist für den Verkehr der Innen-Berliner eine Randgröße: Nur 10 Prozent ihrer Wege bewältigen sie damit – selbst fahrend oder gefahren. Draußen ist es zwar deutlich gewichtiger mit 28 Prozent aller Wege. Aber das bedeutet andererseits: Auch außerhalb des S-Bahn-Rings werden 72 Prozent der Wege nicht per Auto zurückgelegt.

Anteil an allen Wegen Inneres Berlin Äußeres Berlin
Zu Fuß 38,5 31,5
PKW 10,2 28,0
Bus 3,2 6,0
Tram 2,3 3,1
U-Bahn 11,1 5,9
S-Bahn 8,6 9,3
Fahrrad 22,0 14,0
E-Scooter 0,1 0,1
andere 4,2 2,1

Quelle: Tabellenberichte Innere und Äußere Stadt aus „Mobilität in Städten – SrV 2023“
Downloads hier

 

Unnötiger Autoverkehr behindert den nötigen

Das falsche Bild einer angeblichen Innen-Außen-Spaltung verdeckt, wo Berlin wirklich eine dysfunktionale Spaltung des Autoverkehrs hat: zwischen den nur per Auto machbaren Fahrten und den Wegen, die man auch anders zurücklegen könnte. Letztere sind in der Mehrzahl, zeigt die Großstudie „Mobilität in Deutschland 2023“ des Bundes-Verkehrsministeriums.

Zum Gutteil alternativlos ist das Auto für viele Pendlerwege, Transporte und lange Fahrtenketten, zum Beispiel von Boten- oder Pflegediensten. In die Kategorien „Arbeits- und Dienstfahrten“ fallen 34 Prozent aller Wege, die in Berlin per Auto zurückgelegt werden. Deutlich mehr Wege dienen privaten Zwecken: 48 Prozent aller Fahrten werden zu Freizeitzwecken, zum Einkaufen und für private Erledigungen gemacht. Hier ist man zeitlich meist flexibler, auch bei den Zielen. Wer hier Auto fährt, hätte oft Alternativen, aber hinterm Steuer ist es bequemer und braucht oft weniger Zeit.

Das führt zu Berlins größtem Autoproblem: Die vielen Zahl der Privatfahrer, von denen viele nicht im Auto sitzen müssten, steht oft der kleinere Gruppe derer im Weg, die das Auto nehmen müssen. Freizeit- und Einkaufsfahrer zwingen nachmittags die Lieferanten und Pendler in ihren Stau. Privat-PKWs blockieren 23 Stunden am Tag Parkplätze, die viel dringender von zwanzig Handwerkerinnen, Paketboten, Altenpflegern und Polizistinnen gebraucht würden.

Der größte Behinderer des nötigen Autoverkehrs in Berlin sind nicht Poller, Busspuren oder Radwege, die angeblich Vorstädter an City-Fahrten hindern. Sondern das ist eine Verkehrspolitik nach Kai Wegners Wahlkampfmotto von 2023 „Das Auto gehört zu Berlin – jeder muss fahren dürfen, was er will.“

Da ist Berlin tief provinziell: reiche Metropolen wie New York, London, Tokio oder Paris haben längst verstanden, dass man verzichtbaren Autoverkehr in der Stadt stärkstmöglich dämpfen muss, damit der nötige Teil des Autoverkehrs noch rollen kann. Nur Berlin ist da mental in der Nachkriegszeit und Auto-gleich-Freiheit-Ideologie stecken geblieben, die der Wirtschaft und vielen Anwohnern schadet – und auch der großen Mehrheit der Verkehrsteilnehmer in Berlins Außenbezirken, die nicht Auto fährt.

14.10.25