Ampelrennen: Sportlich gegen Rot

Für den 21. Juni laden wir zum Ampelrennen: Wir versuchen symbolisch, gegen eine besonderes geh-feindliche Kreuzung anzulaufen. Hier würde es heute nur der Weltmeister im Schnellgehen in einem Zug auf die andere Seite schaffen. 

Wer am Sophie-Charlotte-Platz in Charlottenburg in einem Rutsch über die Bismarckstraße will. Hier sind zwei Ampeln hintereinander. Beide schalten zugleich auf Grün; die hintere wird nach 9 Sekunden wieder Rot. In diesen zwölf Sekunden muss man also über den Radweg, die vier Fahrspuren und den Mittelstreifen, um vor dem Rot auf der hinteren Fahrbahn zu sein. Diese Strecke ist 21,5 Meter lang. die in 9 Sekunden zurücklegen will, muss schneller als mit 14,9 Stundenkilometern gehen.

Wir kennen nur einen, der das gehend schafft. Er heißt Toshikazu Yamanishi und ist Weltrekordler im Langstreckengehen. Sein Streckentempo beim Rekord betrug 15,4 Stundenkilometer. Er ist fast der einzige auf der Welt, der in einem Rutsch über diese Ampel kommt, ohne zu rennen.

Alle anderen kommen beim ersten Grün nur bis zur Mittelinsel. Alle anderen? Fast alle. Sehr alte Menschen mit Rollator schaffen oft nur ein Gehtempo von 2 Stundenkilometern. In der Zeit ist die erste Ampel längst wieder rot geworden. Dann kommt die „Räumzeit“, in der Autos auf der Bismarckstraße noch nicht weiterfahren dürfen. (Nur Abbieger aus der Suarez- und Schloßstraße dürfen schon). Diese Räumzeit dauert 15 Sekunden; dann fahren die Bismarck-Autos wieder los.

Um in diesem Moment auf der sicheren Mittelinsel zu sein, muss man mit 2,15 Stundenkilometern gehen. Opa oder Oma mit Rollator schafft das nicht? Dann müssen sie auf ihrer Straßenseite bleiben, wollen sie nicht ihr Leben riskieren.

Was erleben Menschen, deren Tempo zwischen dem von Yamanishi und Rollator liegt? Fitte Erwachsene gehen mit etwa fünf Stundenkilometern. Sie gehen los und warten auf der Mittelinsel. 50 Sekunden nach dem ersten Grün erhalten sie hier ihr zweites. Nach weiteren 12 Sekunden sind die glücklich drüben angekommen.

Das macht zusammen 72 Sekunden Warte- und Gehzeit für eine Strecke von 37,3 Metern. Und hier sieht man, wie die Ampel Menschen entschleunigt, die nicht das Yamanishi-Tempo haben. Ihre Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Strecke beträgt klägliche 1,12 Stundenkilometer. Mit anderen Worten: Wer keinen Rollator braucht, der wird hier vom Senat auf halbes Rollator-Tempo entschleunigt.

Es gibt viele schlimme Ampeln in Berlin. Aber diese hier vereint alle Feindseligkeiten, die Ampeln gegenüber Gehenden haben

  • Zu langes Rot und zu kurzes Grün.
  • Doppeltes Rot mit Warten auf der Mittelinsel. Wer dann noch über die Schloßstraße oder die Suarezstraße muss, wartet dreifach.
  • Extrem breite Fahrbahnen, Parkstreifen und Radwege – 33 Meter, dazwischen noch fünf Meter Mittelstreifen.
  • Eine Kombination aus Wegelänge und Ampelzeiten, bei der vor allem Ältere auf der Fahrbahn sind, wenn die Autos direkt vor ihnen wieder Grün bekommen.
  • Einbiegende Fahrzeuge, die nach Programm zeitgleich mit Fußgängern Grün bekommen. Sie sehen dann oft, dass Fußgänger noch bei Rot über die Ampel gehen, und werden aggressiv.
  • Warten in Lärm- und Abgashöllen.

Um den ganzen Irrsinn zu zeigen, veranstalten wir hier am 21. Juni um 10 Uhr ein Ampelrennen. Nehmt die Beine in die Hand, seid gleichzeitig vorsichtig und denkt immer dran, dass an dieser Ampel und an vielen anderen das Gegenteil von dem gilt, was ihr im Kindergarten gelernt habt:

Nicht „Bei Rot musst du stehen.“ Tut das bloß nicht, wenn es mitten auf eurem Ampelweg rot wird. Und das wird es bestimmt.

Und auch nicht einfach „Bei Grün kannst Du gehn.“ Da kann jederzeit ein Auto hektisch einbiegen, dessen Fahrer auch Grün hat. Auch der kommt bestimmt.

Also merkt euch: „Bei Rot müsst ihr rennen, bei Grün Gefahren kennen.“ In dem Sinn alles Gute für den Ampellauf.

15.12.24