Mobilität in Berlin
Kein Verkehrsmittel nutzen die Menschen in Berlin so oft wie die eigenen Füße: 34 Prozent aller Wege werden komplett zu Fuß gegangen, dazu kommen zahlreiche Teilwege zu und von Haltestellen, Bahnhöfen und geparkten Individualfahrzeugen. Allein für die reinen Fußwege plus die Strecken zu und von Bus und Bahn macht sich Berlin täglich mehr als zehnmillionen mal auf die Beine. Und das Gewicht des Fußverkehrs wächst: Zwischen 2018 und 2023 hat der Anteil der gegangenen Wege um vier Prozentpunkte zugenommen. Die wichtigsten Gründe, warum Menschen in Berlin so viel zu Fuß gehen:
- Die Stadt ist über weite Strecken dicht bebaut, bewohnt und gemischt und hat viele Nahziele, die man oft am einfachsten, am schnellsten und sowieso am billigsten zu Fuß erreichen kann.
- Vieles, das in anderen Städten nur die oft weit entfernte City bietet, gibt es in Berlin im relativ nahen Kiezzentrum.
- Auch der öffentliche Verkehr ist stark. Wer die Wege zu und von ihm geht, geht auch häufiger komplette Strecken.
- Weil so vieles zu Fuß, mit Bahn, Bus und Rad erreichbar ist, haben in Berlin weniger Menschen ein Auto als in jeder anderen Stadt in Deutschland. Und die Statistik sagt: Wer keins vor der Tür hat, läuft im Schnitt doppelt so viel.
- Vor allem in den vielen Altbauquartieren und in den Zentren gibt es oft noch breite und angenehme Wege, auf denen man Menschen begegnet, Läden, Bäume und Fassaden wahrnimmt, sich auf einer Bank oder im Straßencafé ausruhen kann.
- Beim Gehen ärgert zwar manches, aber bei anderen Verkehrsmitteln oft mehr: Warten und Enge bei Bahn und Bus, Bedrängung durch Autos auf dem Rad, Staus und Parkplatzsuche im Auto. Gehen ist in Deutschlands Großstädten die mit Abstand bestbeurteilte Mobilitätsform.
Auf der Straße stark, von der Politik vernachlässigt
Die Stärke der Geh-Qualitäten zeigt sich auch daran, dass es führende Mobilitätsform auch nach rund 100 Jahren Vernachlässigung und Diskriminierung ist. In dieser Zeit wurde das Überqueren von Fahrbahnen gefährlicher, schwieriger und streckenweise unmöglich. Gehwege wurden verschmälert und Teile von ihnen zu Fahrbahnen, Parkplätzen oder Radwegen umfunktioniert und weitere Teile für kommerzielle und technische Zwecke
umfunktioniert.
Für die vergangenen Jahrzehnte lässt sich zusammenfassen: für Verkehr verantwortliche Senatorinnen und Senatoren der SPD präferierten Auto und öffentlichen Verkehr; von den jüngsten vier die der Grünen nur das Fahrrad und die aktuelle der CDU nur das Auto. Es gibt zwar auf Landesebene Fortschritte, vor allem den Fußverkehrsteil des Mobilitätsgesetzes von 2021 sowie engagierte, allerdings zu wenige und politisch zu wenig unterstützte Personen. Und es gibt vor allem in einigen Innenstadt-Bezirken fußverkehrs-affine Stadträtinnen und Stadträte, die ihm Rahmen ihrer Möglichkeiten lokale Fortschritte erzielen.
Sie werden aber immer wieder ausgebremst von den Auto-Geneigten in SPD und noh mehr der CDU, die ihre verkehrspolitische Weiterentwicklung in Berlin vor etwa 50 Jahren eingestellt hat. Wir vom FUSS e.V. halten gegen in Fachwelt, Öffentlichkeit und Medien. Und wir bilden Bündnisse mit Organisationen, deren Mitglieder viel zu Fuß gehen und Sicherheit brauchen. Zum Beispiel Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Seh- und Gehbehinderungen, Eltern in Vertretung ihrer Kinder. Gutes Gehen ist ein Anliegen von Mehrheiten – diese Erkenntnis muss auch in Berlins Politik immer stärker einsickern.