Berlin hat ein schönes Mobilitätsgesetz. Noch schöner wäre es, sein Senat würde sich daran halten. Aber besonders an Baustellen missachtet er es – sehr krass jetzt im Tiergarten: Fuß und Rad verlieren Raum, das Auto hat mehr.

Der Satz im Gesetz zu Baustellen scheint klar: Beschränkungen des verfügbaren Straßenraums sollen nicht zu Lasten des Umweltverbundes erfolgen.“ Mit anderen Worten: Wo es eng wird, steckt der Autoverkehr zurück. Busse und Bahnen, Fußgänger und Radfahrer behalten ihren Raum.

Am Westrand des Tiergartens entsteht jetzt eine Baustelle für mindestens vier Jahre - eine Grube des Stromnetz-Betreibers 50Hertz für eine unterirdische Kabeltrasse durch die Stadt. Für den Verkehr jeder Art wird es eng, aber die Platzverteilung für den größten Teil der Bauzeit sieht so aus:

Wer geht, hat bisher im an der Straße und parallel dazu im Park zwei Wege mit zusammen 7 Metern Breite – jetzt noch einen 2 Meter schmalen, die Hälfte des Parkwegs.

Wer Rad fährt, hatte bisher einen Radweg mit 2,50 Metern Breite und durfte einen Parkweg in beiden Richtungen mitbenutzen. Jetzt gibt es nur noch einen 2 Meter breiten Einbahn-Weg. Ein klares Minus für den Umweltverbund – insgesamt verliert er an der 200 Meter langen Baustelle 5,5 Meter Wegbreite. Das Bild zeigt, was von den drei bisher breiten Fuß- und Radwegen für beide übrig bleibt.

Und der Autoverkehr? Für ihn gab es bisher in westliche Richtung drei zusammen 8 Meter breite Streifen. Während des größten Teils der Bauzeit gibt es weiter drei Streifen. Nach dem „Plan zur Verkehrsführung Tunnelvortrieb“, den 50Hertz hier  zum Download bietet, sind sie künftig zusammen 9,55 Meter breit: eineinhalb Meter Gewinn.

Fürs Gehen und Radfahren sind die Folgen hässlich: Es gibt für beide je die Hälfte eines bisher idyllischen, vier Meter breiten Parkwegs. In der Mitte ist ein gelber Strich aufgemalt. Der Weg ist bei schönem Wetter viel begangen und befahren. Statt Genuss und Erholung drohen hier jetzt Stress, Gedrängel und Unfallgefahr.

Der Grund: Autos sollen den meisten Platz bekommen. Sie hatten hier schon bisher zu viel: Am Tag fahren unter 20.000 pro Richtung; das bewältigen viele Berliner Straßen mit je zwei Spuren. Hier aber soll es weiterhin drei geben, weil es schon immer drei gab (genauer: seit Albert Speer).

Der Berliner Verkehrssenat ist nach Parteibuch grün geführt. Aber er handelt hier wie an anderen Baustellen, als wäre er noch tief im vorigen Jahrhundert – in der Ära der autogerechten Stadt. Der Behörde ist hier das Mobilitätsgesetz egal, der Fuß- und Radverkehr schnuppe. Umwelt- und Klimaschutz? Ein Freitagsthema für Schulkinder, aber keins für die sogenannte „Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz“

Dabei ginge es sehr einfacher: Die Straße des 17. Juni erhält Richtung Charlottenburg auf den 200 Metern zwei Fahrspuren statt drei. Zum Beginn der Bauarbeiten und zu ihrem Ende ist das ohnehin geplant. Die dritte Spur kann Radweg werden. Der Parkweg wird wieder Parkweg – ohne Asphalt, ohne Schilder und gelben Strich, ohne Gedrängel und Unfallgefahr. Und alles wäre so, wie das Gesetzt es bestimmt.