Am 6. September raste ein SUV auf den Gehweg der Berliner Invalidenstraße und tötete vier Menschen. Der Fahrer soll einen epileptischen Anfall gehabt haben. Der Unfall löste eine Debatte über SUVs und Tempo 30 aus.

„SUVs raus aus der Innenstadt“ – das forderten nach dem Unfall viele Menschen, darunter Lokalpolitiker wie Stephan von Dassel, der grüne Bürgermeister des Bezirks Berlin-Mitte. Der Porsche Macan hatte auf seiner Todesfahrt sehr rasch beschleunigt, riss einen Laternenmast und tötete dann ein dreijähriges Kind, dessen Großmutter und zwei Männer. Zur verheerenden Wirkung trugen die Motorstärke, das Gewicht und die Breite des SUV bei. Ein Kleinwagen wäre bei einem Anfall seines Fahrers am Ende langsamer gewesen und vielleicht vom Laternenmast gestoppt worden, so dass Menschen überlebt hätten.

In der öffentlichen Diskussion kamen auch andere SUV-Nachteile zur Sprache, die nicht im Zusammenhang mit dem Unfall standen: der hohe Platz- und Benzinbedarf, die schlechte Sicht vor allem nach hinten, das trügerische Sicherheitsgefühl für Fahrer, das teils auf Raubtier getrimmte Design und das Panzer-Gefühl, das zu Raserei und Rücksichtslosigkeit verleiten kann. SUVs, so der vorherrschende Tenor der Diskussion, sind die Dinosaurier der Straße: zu groß, zu gefräßig, eine Fehlentwicklung der Fahrzeug-Evolution.

Eine SUV-freie Stadt wäre ein Gewinn für alle anderen. Zur Verbots-Forderung sind einige Fragen nicht geklärt: Was genau ist ein SUV und was nicht mehr? Warum gerade diesen Fahrzeugtyp verbieten, aber keine Sechs-Mieter-Kombis, kleinen Busse, großen Limousinen oder sogenannte Sportwagen? Und was ist mit der Gefährlichkeit aller anderen Autos?

Vor diesem Hintergrund verlagerte sich ein Teil der Diskussion bald zur Tempo-Frage. Und in Einzelfällen zum vielleicht wichtigsten technischen Mittel zur Humanisierung von Verkehr, der „Intelligent Speed Assistance“ (ISA) – siehe Seite xx. Den wichtigsten Beitrag leistete der Anwohner und dreifache Vater Julian Kopmann: Er startete eine auch von FUSS e.V. unterstützte Petition, um aus der Horror-Straße eine Mustermeile für besseren Verkehr zu machen.

Sehr rasch unterschrieben 15.000 Menschen. Und drei Wochen nach dem Unfall kam Koopmann mit den Bürgermeister Müller (Berlin), von Dassel (Stadtbezirk Mitte) und der Verkehrs-Senatorin Günther zusammen. Die drei versprachen das Wichtigste, was die 15.000 gefordert hatten: als erstes Tempo 30 im kritischsten Abschnitt der Straße, der Wegfall von 50 Parkplätzen  und stattdessen die Einrichtung geschützter Radstreifen, schließlich bessere Querungen für die vielen Menschen zu Fuß. Koopmann resümiert das Treffen: „Wir waren uns alle einig, dass es am Beispiel der Invalidenstraße gelingen kann, modellhafte Lösungen für mehr Verkehrssicherheit und eine neue Mobilität in verdichteten Kiezen zu entwickeln.“

Allerdings wurden auch rasch die Mühen und Mühlen der bürokratischen Ebene sichtbar. Acht Wochen nach dem Unfall stand in der Unfallstraße noch kein neues Parkverbots- und kein Tempo-30-Schild, erst recht gab es kein Anzeichen für den versprochenen Radweg. Doch fest im Raum stand die schon oft verwünschte VwW-StVO zum Zeichen 274, das Tempo 30 gerade in „Hauptverkehrsstraßen“ erschwert. Eine solche ist auch die Invalidenstraße.