Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 60/2009

Ausgangslage

Kinder und Jugendliche stellen eine Bevölkerungsgruppe dar, in der noch viel zu Fuß gegangen wird. Daniel Sauter hat in einer empirischen Auswertung von schweizerischen Mobilitätsbefragungen der Jahre 1994, 2000 und 2005 untersucht, wie sich in dieser Zeitspanne das Zufußgehen und Radfahren verändert hat. Seit 1994 wird im Schweizer Mikrozensus Verkehrsverhalten das Weg-Etappen-Konzept praktiziert. Damit sind differenzierte und vergleichende Analysen des Fußverkehrs über einen längeren Zeitraum hinweg möglich. Mobilitätsangaben liegen für die Bevölkerung ab sechs Jahren vor. In der Erhebung 2005 wurden Angaben von rund 4.600 Personen zwischen sechs und unter 18 Jahren erhoben, die an ihren Stichtagen rund 15.500 Wege und 22.600 Weg-Etappen zurücklegten. Die Analysen wurden vom Bereich Langsamverkehr des Schweizer Bundesamts für Strassen beauftragt.

Inhalt

Die Analyse umfasst vier Bereiche des Mobilitätsverhaltens: die Mobilitätsvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen, die Tagesmobilität über alle Wegzwecke hinweg sowie die Ausbildungs- und Freizeitwege im Speziellen. Basierend auf den empirischen Auswertungen, die meistens deskriptiv in Form von Kreuztabellen dargestellt werden, befassen sich die anschließenden Empfehlungen mit Ansatzpunkten zur Förderung des Zufußgehens bei Kindern und Jugendlichen sowie mit weiter gehenden Forschungsfragen.

Mobilitätsvoraussetzungen: Nahezu alle Kinder und Jugendliche waren im Jahr 2005 körperlich in der Lage, ohne Hilfe zu gehen; nur zwei Promille waren so stark mobilitätseingeschränkt, dass sie nicht oder nur ein paar Schritte ohne Hilfe gehen konnten. Von diesen wiederum konnte sich die Hälfte selbständig mit dem Rollstuhl fortbewegen. Knapp ein Drittel der 13- bis 15-Jährigen und drei Viertel der Jugendlichen zwischen 16 und 17 Jahren besaß 2005 ein Abonnement für den öffentlichen Verkehr; unter den Jugendlichen war gegenüber 1994 sogar ein Anstieg um zehn Prozentpunkte festzustellen.

Immer über ein eigenes Mofa, Kleinmotorrad oder einen Rollen verfügten 2005 22% der 16-17-Jährigen. Dieser Anteil sank gegenüber 1994 um zehn Prozentpunkte. Die große Mehrheit der Kinder und Jugendlichen lebte 2005 in Haushalten mit einem Auto, nur 8% kamen aus autofreien Haushalten. Haushalte mit Kindern verfügten demnach häufiger über einen Pkw als der Durchschnitt der Schweizer Haushalte. Und vor allem bei Haushalten mit Kindern zwischen 6 und 12 Jahren war eine Zunahme der Mehrauto-Haushalte festzustellen.

Tagesmobilität: Kinder und Jugendliche legten 2005 an einem Stichtag zwischen Montag und Sonntag 37% der Wege ausschließlich zu Fuß und 27% der Wege in Kombination mit anderen Verkehrsmitteln zurück. Dies weist auf die hohe Bedeutung des Zufußgehens in dieser Bevölkerungsgruppe hin. Fahrzeugähnliche Geräte wie Tretroller, Kickboards, Inline-Skates und Skateboards spielten bei der Fortbewegung mit einem Anteil von 6 Promille der Wege nur eine marginale Rolle.

Ausbildungswege: Sieben von zehn Grundschul-Kindern gingen 2005 noch zu Fuß zur Schule, wobei der Schulweg für zwei Drittel der Schüler weniger als einen Kilometer lang war. In der Sekundarstufe betrug der Fuß-Anteil noch ein Drittel. Im Landesmittel wurden aber auch zehn Prozent der Kinder von sechs bis neun Jahren mit dem Auto zur Schule gebracht. Seit 1994 gab es in dieser Altersgruppe einen Zuwachs der Autowege von 12 Prozent, bei den 10 bis 17-Jährigen sogar von einem Drittel. Anteile der motorisierten Wege von 20% wurden in einkommensstarken Gemeinden, in der französischsprachigen Schweiz sowie in Haushalten mit zwei oder mehr Autos im Haushalt erreicht. Die niedrigsten Pkw-Anteile waren in verdichteten Gebieten zu verzeichnen, wo die Fußweganteile im Gegensatz zu ländlichen Räumen sogar leicht zunahmen.

Freizeitwege: Auch in der Freizeit waren Kinder und Jugendliche aus Haushalten mit zwei oder mehr Autos am wenigsten bewegungsaktiv - und dies selbst bei kurzen Wegen.

Der langjährige Rückgang der eigenständigen Fußwege in der Schweiz konnte offenbar gestoppt werden. Allerdings besteht in stark motorisierten Haushalten sowie in vielen Gebieten noch ein hohes Potenzial für den Fußverkehr. Der Autor empfiehlt Fördermaßnahmen, die zum einen auf die einzelnen Verkehrsteilnehmer, zum anderen auf die institutionellen Akteure abzielen.

Bewertung

Die Studie behandelt differenziert die verschiedenen Aspekte des Zufussgehens von Kindern und Jugendlichen. Die systematischen Vergleiche über die Zeit hinweg lassen Trends erkennen und zeigen, in welchen Bereichen der Handlungsbedarf weiter zugenommen hat. Die Analysen sind gut nachvollziehbar. Je Themenbereich werden die wesentlichen Ergebnisse aus der Fülle empirischer Analysen noch einmal in separaten Zusammenfassungen verdichtet. Die Schlussfolgerungen verweisen auf die Notwendigkeit, das Themas stärker in den Institutionen von Politik, Verwaltung und Fachwelt zu verankern.

 

Titel:

Mobilität von Kindern und Jugendlichen. Fakten und Trends aus den Mikrozensen zum Verkehrsverhalten 1994, 2000 und 2005. Materialien Langsamverkehr, Nr. 115, 127 S., Bern 2008

Verfasser:

Daniel Sauter (urban mobility research, Zürich)

Bezug:

Hrsg.: Bundesamt für Strassen, Bern. Download gratis: www.langsamverkehr.ch

 

Impressum:

Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Juli 2009. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.fuss-eV.de

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