Ute Bonde: Auf langsamem Weg zur Entschleunigung
Nach starkem Protest schränkt Verkehrssenatorin Bonde ihr Tempo-50-Dogma ein: Einige Straßenabschnitte sollen ihr 30-Limit behalten, auf anderen wird ein neues geprüft. Aber das geht zu langsam voran und Optionen bleiben ungenutzt.
Bisher drohte Auto-Beschleunigung auf über dreißig Straßenstücken, auf denen bisher Tempo 30 zur Luftreinhaltung gilt. Definitiv auf neun davon soll es jetzt zwecks Lärm- und Unfallschutz dabei bleiben. Das gehören Abschnitte der Leipziger Straße, der Potsdamer Straße, Turmstraße, der Hauptstraße in Schöneberg und von Alt-Moabit, der Oranienstraße in Kreuzberg, der Brückenstraße in Mitte, der Wildenbruchstraße in Neuköllen und der Leonorenstraße in Lankwitz.
Das ist lebhaftem Protest vor Ort, von Fachverbänden und aus der mitregierenden SPD zu verdanken. Besonders der Abgeordnete Timo Schopf engagiert sich hier für menschlichere Straßen. Auf 25 mit Tempo 50 bedrohten Straßenstücken prüft der Verkehrssenat, ob dort hoch frequentierte Schulwege liegen, an denen neuerdings Tempo 30 die gesetzliche Regel ist. Diese Prüfung soll aufwendig werden mit der Einschaltung von Schulämtern, Schulen und Polizeibehörden vor Ort. Dabei lassen sich hochfrequentierte Schulwege mit weniger Aufwand ermitteln. An vielen kann das jedes sechsjährige Kind im morgendlichen Gedrängel. An anderen geht es mit elektronischer Hilfe. Das Vorbildprojekt steht hier.
Besser voran geht es beim nächtlichen Lärmschutz. Hier ist Tempo 30 von 22 bis 6 Uhr an 230 weiteren Kilometern Hauptverkehrsstraßen geplant; hier die Liste. Der laute Pferdefuß ist hier die Überwachung: Berlins Senat spart bekanntlich an Blitzern, obwohl diese mehr Geld einbringen als kosten. Wir fordern: Sicherheit und Lärmschutz sollten für ihn Vorrang haben vor einigen auch verbal lauten Fahrern, die bei jede Buße für ihre Rechtsverstöße über “Abzocke” jammern.
Zwei weitere neue Tempo-30-Option erwähnt der Senat bisher nicht: Es kann jetzt auf und nahe an allen Zebrastreifen angeordnet werden. Die rund 600 Zebrastreifen Berlins liegen zum größten Teil an Tempo-50-Straßen. Immer wieder geschehen hier schwere Unfälle, die bei weniger Tempo vermeidbar sind. Zudem ist es jetzt möglich, zwei kurze Tempo-30-Abschnitte miteinander zu verbinden, wenn dazwischen höchstens 500 Meter liegen. Probleme kann es geben, wenn das Tempolimit auf den Abschnitten zu unterschiedlichen Tageszeiten gilt – zum Beispiel in einem tagsüber zur Schulzeit, im nächsten nachts zwecks Lärmschutz. Dieses Problem hätte der Bundesrat im März beheben können, aber auch Berlin hat dagegen gestimmt.
Eine weitere Option wird noch kaum öffentlich diskutiert (außer bei FUSS): Wird eine Haupt- zur Nebenstraße herabgestuft, kann eine Tempo-30-Zone eingerichtet werden. Das Netz der eingestuften Hauptstraßen ist in vielen Stadtteilen recht dicht; auch in Außenbezirken gehören nicht nur Straßen mit sehr großer Bedeutung für den Autoverkehr dazu. Hier könnte ein sicherheits- und anwohner-orientierter Senat prüfen, welche Straßen rechtlich umgewandelt und damit komplett Tempo-30-fähig werden.